Leander Haußmann: „Meine Filme sind Kassenschlager!“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Regisseur Leander Haußmann über „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ und die Schwere der leichten Unterhaltung, über die Gier der Theaterleute und das hohe Engagement der Film-Arbeiter.

Die Presse: Sie waren die Speerspitze des jungen Theaters, das Ende der achtziger Jahre den Regie-Pionieren der 68er-Revolte zu Leibe rückte. Ein neues Wort machte die Runde: Spaßkultur. Als Theater-Regisseur waren Sie sehr erfolgreich. Warum sind Sie zum Film gegangen? War das eine Flucht?

Leander Haußmann: Die Anfänge meiner Theaterzeit liegen ja nun auch schon 20 Jahre zurück – und in dieser Zeit habe ich fast 50 Inszenierungen gemacht, das reichte dann. Die Ideen gingen aus. Im Übrigen gehörte ich nie zu dieser Glaubensgemeinschaft Theater, wie z. B. Claus Peymann. Wenn man einen Film macht, ist man z. B. für Peymann ein Abtrünniger, dann entheiligt man das Theater. Was für ein Quatsch!

Sie haben am Burgtheater eine einzige Inszenierung gemacht, eben in der Peymann-Zeit: „Drei Schwestern“ von Tschechow. Waren Sie nicht gerne in Wien?

Haußmann: Ich war sehr gerne am Burgtheater, weil ich da eine erste Garnitur von Schauspielern zur Verfügung hatte. Außerdem mag ich Wien. Wenn Hollywood die Film-Stadt ist, ist Wien die Stadt des Theaters. Aber denken wir nicht nur an die Großstädte. Schauen wir auf die Theater auf dem Land. Da wird die wirkliche Arbeit gemacht, werden Talente geschmiedet und im besten Falle Jugendliche von der Straße geholt.

Theater ist also gesellschaftlich wichtig.

Haußmann: Ganz sicher. Wie Bibliotheken, wie Schulen, wie Museen. Wenn man sich das wegdenkt, bleibt nur mehr eine Wohnsiedlung. Eine Stadt muss ein Zentrum sein, Tradition, Kultur, Wissen vermitteln. Wenn das verschwindet, kann man noch so laut rufen: „Verleitet die Kinder nicht mit Video-und Killer-Spielen zum Amok Laufen!“ Man darf die Kultur nicht vor die Hunde gehen lassen – und dann womöglich auf die Künstler zeigen, dass die mit ihren Gewaltdarstellungen schuld sind an der verdorbenen Jugend. Das stimmt einfach nicht. Man braucht Einrichtungen wie das Theater um – ich sage es jetzt mal pathetisch – Menschen in eine kollektive Ekstase zu führen.

Trotzdem sind Sie beim Film geblieben.

Haußmann: Der Übergang war ja fließend. Während ich meinen ersten Film gemacht habe, hatte ich noch die Intendanz in Bochum. Zunehmend aber begann mich die Arbeit am Theater zu frustrieren. Ich hatte gewissermaßen beim Film Blut geleckt. Ich spürte, dass dieses Medium meiner Art zu Erzählen näher war. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Gewerke im Film mit einer großen Leidenschaft über eine lange Zeit arbeiten, in dieser Hinsicht spürte ich eine große Diskrepanz zum Theater. Ich habe dort zunehmend diese Leidenschaft vermisst. Ausschlaggebend für meinen Abschied vom Theater war meine letzte Produktion „der Sturm“ am Berliner Ensemble. Da möchte ich nicht ins Detail gehen, das war eine verheerende Erfahrung.

Wieso? Das BE ist eine renommierte Bühne.

Haußmann: Ich meine z. B. die der Kunst kontraproduktiv gegenüberstehenden Gewerkschaften. Aber das ist ja ein altes Thema.

Sie meinen: Dienst nach Vorschrift?

Haußmann: So könnte man es sagen. Wenn beim Film der Garderobier zweimal mit einem schlecht gelaunten Gesicht kommt, ist er draußen. Es gibt nur ein Ziel, das ist das Kunstwerk. Jeder arbeitet darauf hin mit der für seinen Beruf nötigen Liebe. Da gibt es die Leute, die sich die technischen Dinge ausdenken. Das sind solche Tüftler, die sind ganz bei der Sache, gucken niemals auf die Uhr – und sind nicht einmal angestellt. Das moderne Theater verzichtet auf liebevolle Details. Da soll kein Hase über die Bühne hoppeln, sondern da wird ein Fell über die Bühne geworfen. Das Theater verleitet außerdem dazu, gierig zu sein. Man denkt, man schafft im Jahr drei bis vier Inszenierungen. Zwischendurch schiebt man noch eine Oper ein. Das ist am aller einfachsten: Die Partituren sind da, die Sänger können ihre Lieder, die Produktionszeiten sind kurz. Robert Wilson z. B. lässt seine Assistenten vorbereiten. Dann kommt er selber und macht parallel eine andere Inszenierung. Dann gibt es noch einen Punkt: Wer kennt die berühmten Theaterregisseure wie Wilson, Luc Bondy oder Frank Castorf? Das Volk kennt Quentin Tarantino. Das Theater ist sehr elitär. Dort bilden Feuilleton und Zuschauer eine Einheit. Ich wurde extrem gelobt und dann niedergemacht. Ein Kritiker sollte eine Aufführung gegenüber dem Zuschauer verteidigen. So war das früher.

Deutsche Theaterkritiker sind zwar gnadenlos. Aber Filmkritiker sind auch nicht sanft.

Haußmann: Sie haben weniger Einfluss. Die Zuschauer beim Film reagieren oft ganz anders als die Kritiker. Und wenn ihnen das Kino nicht passt, gehen sie nach zehn Minuten oder sie gehen gar nicht erst rein. Kino ist viel direkter in der Annahme oder in der Ablehnung. Im Theater hat mich schon immer in großes Erstaunen versetzt, wie viel sich Zuschauer gefallen lassen.

Sie klingen ziemlich pessimistisch.

Haußmann: Ich muss immer aufpassen, dass ich nicht so da sitze wie ein etwas angedickter ältlicher Mann, der früher einmal jung, hübsch und berühmt war. Und jetzt sitzt er in seiner Ecke und guckt rüber zum Theater und darf nicht mehr mitspielen. Ich bin schon sehr weit weg vom Theater. Für mich war es einfach ein großer Glücksfall, dass ich zum Film gegangen bin. Obwohl beim Film ein Misserfolg viel furchtbarer ist als im Theater. Wenn man sechs Jahre an einem Film arbeitet und dann gehen die Leute nicht rein, ist das extrem schrecklich.

Ihr neuer Film, „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“, ist eine Komödie: Ein junger Mann verliebt sich in eine ältere Frau .

Haußmann: Der Film bricht Klischees und spielt mit Emotionen. Ich misstraue den Bequemlichkeiten der Emotion. Wenn Sie sich den Film genau ansehen, merken Sie, wie genau diese Dinge eingefädelt sind und wie gut das Drehbuch ist. Das ist eine wahnsinnig schwierige Aufgabe. Meine großen Lehrmeister sind Ernst Lubitsch und Billy Wilder. An diese Klassiker der intelligenten Komödie möchte ich herankommen. Da werde ich noch eine Weile brauchen, aber das ist mein Ziel. Ich teile mit diesen Kollegen die Verachtung, die man ihnen vonseiten der Intelligenz zu ihrer Zeit entgegengebracht hat, weil man sie nicht verstanden hat. Auch meine Filme werden als leichte Unterhaltung verachtet. Und sie werden selten auf Festivals eingeladen. Dafür sind sie Kassenschlager. Ich kann nicht anders sein als ich bin. Ich kann nur hoffen, dass die Zuschauer das interessiert. Es macht mich stolz, wenn die Kinos voll sind. Dann setze ich mich rein und höre mir das Lachen an. Das ist die direkteste Interaktion zwischen Künstlern und Zuschauern.

ZUR PERSON

Leander Haußmann (49), in Quedlinburg geboren, stammt aus einer Schauspielerfamilie. 1991 war seine Version von Ibsens „Nora“ beim Berliner Theatertreffen geladen. 1995-2000 war er Intendant in Bochum. Ihm folgte Matthias Hartmann. Haußmann drehte „Sonnenallee“ und „Herr Lehmann“. Sein nächster Film spielt im Senioren-Heim.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2008)

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