"Geschichte vom Brandner Kaspar": Die seltsamen Bräuche der Bayern

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Joseph Vilsmaiers „Geschichte vom Brandner Kaspar“: kitschiges Paradies, hinterfotzige Leut'.

Einen derart bizarren Tod hat die Welt noch nicht gesehen. Ja, er ist eine finstere Gestalt, die spukhaft im Hochwald auftaucht, er kann sich unsichtbar machen, und wenn er ins Haus kommt, ist er grau geschminkt wie derzeit der barocke Schnitter im „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen. Aber wenn er das Gesicht zum Lachen verzieht und die gelben Zähne entblößt, weil ihm ein Kirsch kredenzt wird, erkennt man schlagartig: Das ist ja der Bully Herbig! Und alles Entsetzen ist zum Teufel. So ein Tod ist zum Brüllen komisch, schmerzhaft komisch. Lustig.

So einen Tod kann es nur in Bayern geben. Er heißt dort Boandlkramer und will sich den alten Büchsenmacher Brandner Kaspar vom Tegernsee holen, dessen Geschichte vor 137 Jahren der Münchener Schriftsteller Franz von Kobell erzählt hat. Der Brandner, wunderbar verwittert gespielt vom Erzbayern Franz-Xaver Kroetz, macht den Boandlkramer besoffen und schummelt ihm beim Karteln 21 Lebensjahre ab. Er möchte mindestens 90 werden, so wie sein Vater.

Wäre es doch im Paradies so schön

Alles scheint gut zu gehen; die Schulden können beglichen werden, neue Aufträge kommen, die Enkelin verliebt sich in den Richtigen. Wäre da nicht der himmlische Beschluss. Und wäre es doch im Paradies nicht so schön; der Petrus (Jörg Hube) isst seine Weißwürscht und trinkt seine Maß dazu, die Engerl kommen direkt aus Schwabing, und die Maria kriegt einen Lachanfall, als sie erfährt, wie der Kaspar den Tod zum Narren gehalten hat.

Die Rolle des Brandner Kaspar ist Kroetz auf den Leib geschrieben, aus seinen wässrigen Augen liest man, dass ihn das Leben gezeichnet hat, und doch ist er Optimist geblieben, er neigt zur Melancholie, seine Frau ist früh gestorben und sein Kind, doch er hängt an dieser Welt wie an seinem Hof. Den verteidigt er mit der Waffe in der Hand.

Der Bayer Joseph Filsmaier hat diesen urbayerischen Schwank, der auf den Bühnen seines Freistaates ominpräsent ist, mit für hiesige Verhältnisse großem Aufwand (ein Budget von fünf Mio. Euro, eine Reihe deutscher Stars, unter anderem auch Detlev Buck als preußischer General und Elisabeth Trissenaar als fesche Sophie) verfilmt. Es ist im Vergleich zu den Vorgängern und 1975 die harmloseste Version geworden.

Dieser Tod ist ein Dorfdepp

Das liegt nicht an der wunderschönen Landschaft oder dem kitschigen Paradies, sondern allein an Bully Herbig. Er ist skurril und spielt diesen Aspekt der Geschichte gut. Es ist herrlich anzusehen, wie er, im ersten Modernisierungsschub Ende des 19. Jahrhunderts mit einer Dampfmaschine statt mit Ross und Wagen durch die Gegend braust, seine Unterwürfigkeit im Himmel ist ebenfalls sehenswert.

Aber in den Szenen von Angesicht zu Angesicht mit dem Kaspar, den er holen soll, fehlt ihm jene Bedrohlichkeit, die den dunklen Teil dieses Schwanks ausmacht. Dieser Tod ist ein Dorfdepp. Mit so einem könnte das strenge Erzbistum München nicht reüssieren.

Fein besetzt sind viele Rollen. Anmutig und doch auch erdig spielt Lisa Maria Potthoff das Nannerl, die Enkelin des wildernden Büchsenmachers, mürrisch wie echte Bayern sind Sebastian Bezzel als königlicher Hofjäger Fonse und Alexander Held als intriganter Bürgermeister Kugler, der dem Brandner den Hof abluchsen will. Auch Buck gibt der undankbaren Rolle des Preußen Tiefe, eines Prototypen des Alpin-Touristen.

Alles in allem aber plätschert dieser Film voraussagbar beliebig dahin. Vilsmeiers Film ist eine harmlose Verherrlichung des Bayerntums. So nett und herzlich selbst in ihrem Grant haben wir unsere Nachbarn gar nicht in Erinnerung. Aber vielleicht gehört auch zur Schläue der Bayern, dass man sie sehr leicht unterschätzt.

AUF EINEN BLICK

Die „Gschicht vom Brandner Kasper“ stammt vom Münchner Franz von Kobell und erschien 1871 in altbayerischer Mundart. Der Stoff wurde fürs Theater adaptiert und mehrmals verfilmt, zuletzt von Joseph Vilsmaier. In den Hauptrollen: Franz Xaver Kroetz und Michael Bully Herbig als Boandlkramer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2008)

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