Xaver Hutter: Rettung auf zwei Rädern

Xaver Hutter
Xaver Hutter(c) Die Presse (Julia Stix)
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Eine nicht ganz freiwillige Auszeit vom Schauspielen hatte Xaver Hutter genommen. Jetzt startet er ein Comeback im Fernsehen und auf der Bühne der Josefstadt.

(c) Die Presse (Julia Stix)

TIPP

Auf dem Fahrrad hat alles begonnen für ­Xaver Hutter. Und auf dem Fahrrad hätte es auch wieder enden können. Aber alles der ­Reihe nach: In Stefan Ruzowitzkys erstem Spielfilm „Tempo“ spielte Hutter nämlich einen Fahrrad­kurier. Dann sah es nach einer rauschenden Karriere für den Sohn der Kostümbildnerin Birgit Hutter und des Künstlers Wolfgang Hutter aus. Das war vor zwölf Jahren. ­Heuer ist der 32-Jährige denn auch in sechs TV-­Produktionen zu sehen und spielt in „Die Wirtin“ von Peter Turrini im ­Theater in der Josefstadt. Dazwischen aber liegt eine Zeit der Zweifel. Xaver Hutter hatte hohe Ansprüche, tat sich mit den Medien nicht so leicht und war kein „,Seiten­blicke‘-Mensch, der zu allem etwas sagen muss“. Schließlich blieben auch die Angebote aus. Aber das warf Xaver Hutter nicht aus dem Sattel. Im Gegenteil . . .

Bis vor Kurzem waren Sie nicht oft auf der Bühne ­anzutreffen . . .

Ja, ich hatte sehr lange kein Angebot, das letzte Mal ­Theater war vor zweieinhalb Jahren. Dann fuhr ich ­eineinhalb Jahre als Fahrradkurier durch Wien.

Wie kam’s dazu?

2007 war ein ganz schlechtes Jahr. Nach drei, vier Mo­naten ist mir das Geld ausgegangen. Und um dem ganzen ­Wahnsinn des Nicht-arbeiten-Könnens und Nicht-­gewollt-Werdens zu entgehen, kam mir der Gedanke, wieder als Fahrradkurier zu arbeiten. Das hab ich ja schon einmal als 18-Jähriger gemacht. Da hab ich versucht, nicht darüber nachzudenken, dass ich eigentlich auch Schauspieler bin. Und der einfache Job des Fahrradkuriers hat mich gerettet. Im März lief es dann wieder an. 2008 habe ich sechs TV-Produktionen gedreht, das ist sehr viel. Ich dachte mir, ein kleines Flächenbombardement, verteilt auf alle Sender, bringt ein erfolgreiches Comeback. Und der Bonus war jetzt das Angebot an der Josefstadt.

Was, denken Sie, waren die Gründe dafür, dass Sie keine Angebote mehr bekommen haben?

Es gibt sehr viele Schauspieler, und man ist halt nicht immer „hot“. Vielleicht lag es auch daran, dass ich sehr viel abgesagt habe. Mir wurde „Schloßhotel Orth“ und all das angeboten, da hab ich Nein gesagt. Aber das merken sich Caster. Der Schauspieler ist ein Gesicht, das man verkaufen möchte; was der zum Drehbuch sagt, spielt für niemanden eine Rolle. Ich mach mir keine Gedanken mehr darüber, warum es so war. Vielleicht war es auch wichtig, dass ich wieder auf dem Fahrrad sitze, wieder 45 Euro pro Tag verdiene und das körperlich und hart. Und ein Jahr Fahrradkurier ist die beste Schauspielschule. Man sieht alles.

Zum Beispiel?

Ich brachte einen Brief zum Telekom-Gebäude am Rennweg, und die Dame beim Empfang sagt zu mir, während ich vor mich hinschwitze: „Moment einmal, kenn ich Sie nicht?“ Und ich sag: „Nein, nein, sicher nicht.“ Und sie überlegt kurz und sagt: „Na, na, Moment, haben Sie net den Mozart gespielt?“ Und nach einer kurzen Zäsur sag ich: „Ja, hab ich.“ Und draufhin sagt sie ad hoc: „Aha, des geht si oiso aa net immer aus.“ Sag ich: „Ja, gnädige Frau, um ehrlich zu sein, das geht sich nie aus.“ Damals war ich noch bei einer deutschen Agentur, die mir gesagt hat, ich wäre zu eitel. Und die Dame sagte: „Ich find das super, dass Sie jetzt da als Kurier fahren.“ Und ich: „Sagen Sie das meiner Agentur, die meint, ich wär zu eitel für den Beruf“, und sie: „Na, dann schicken Sie s’ her, der werd ich was erzählen.“ Das war ein Lichtblick! Ich wurde aber auch mal von sechs Fußgängern verfolgt, die ich auf der Kärntner Straße gestreift haben soll, die wollten mich richtig ­lynchen. Es ist schon Rock’n’Roll und Wilder Westen.

Haben Sie aus dieser Zeit Konsequenzen gezogen?

Ich gehe besser mit meinen Finanzen um. Wenn ein Schauspieler für einen Drehtag 2000 Euro bekommt, ist das immens viel Geld. Für 2000 Euro hätte ich zwei Monate radeln müssen. Ich war sehr verschwenderisch. Es gab eine Zeit, wo ich am Sonntag keinen Schilling mehr hatte, mir keinen Kaffee kaufen konnte. Ich musste auf die Straße, um Zigarettenstummel zu sammeln. Ich hätte mir von meiner Mutter Geld leihen können, aber dafür war ich zu stolz. Und ich wollte spüren, wie scheiße das ist, dass ich mich selber in diese Scheiße hineinmanövriert habe. Seitdem hab ich mir geschworen, dass ich zumindest jeden Sonntag im Café Prückel auf eine Melange gehen kann. Das macht mich schon glücklich. Wenn ein Kalbsschnitzel auch noch drin ist, bin ich noch glücklicher.

Haben Sie Ihre Zusagepolitik auch geändert?

Natürlich, unter diesen sechs TV-Projekten waren auch zwei, die ich früher nicht gemacht hätte. Aber man kann auch in einem Mist glänzen. Die Leute sehen, dass du ­arbeitest. Als ich da ein Jahr für „Veloce“ fuhr, hat das Filmgeschäft geglaubt, der Herr Hutter will nicht mehr spielen. Für niemanden war es plausibel, dass dieser junge Mann einfach kein Geld hat. Ich versuche jetzt, diplomatischer zu sein. Vielleicht nicht mehr gleich mit der Faust aufs Aug zum Produzenten: Dieses Buch ist scheiße, und das biete mir bitte nie wieder an. Sondern: Ja, das lässt sich spielen. Und: Es ist gutes Geld! Wir leben in der Weltwirtschaftskrise, es ist verdammt schwierig, Geld zu verdienen. Das Fernsehen bezahlt wahnsinnig gut. Und je beschissener der Stoff, desto höher die Gage. Ein Kollege hat drei Rosamunde-Pilcher-Filme gedreht, der war drei Monate in Kanada, war reiten, war im schönsten Resort. Der Film beschissen, die Kollegen entsetzlich – aber fettes Geld. Ich bin jetzt natürlich für den größten Dreck nicht zu haben. „Dancing Stars“ wurde mir auch schon angeboten, das werde ich nie machen. Das ist mir zu doof. Mir ist es lieber, ich bin schwierig und talentiert als überall einsetzbar.

Glauben Sie, Ihre Krise hatte damit zu tun, dass Sie schon so früh – und ohne Schauspielschule – in ­diesen Beruf getreten sind?

Sicher. Ich hab mir diesen Weg selber gebaut, ohne zu wissen, wohin ich gehe. Ich wusste, es wird ein steiniger Weg und ich werde 100.000-mal auf die Fresse fallen. Bis jetzt bin ich, glaub ich, 90.000-mal auf die Fresse gefallen. Jetzt sind’s nur mehr 10.000, dann such ich mir ein nettes Mädchen, und der Rest ergibt sich . . .

Können Sie sich dann mit der Rolle des Fabrizio in „Die Wirtin“ besonders gut identifizieren?

Ja, die ist frech, frech und frech, das liebe ich. Ich mag goscherte Rollen.

Und ganz ehrlich: Eine Rolle wie die im TV-Film „Die Pilotin“ über Hagelflieger in der Steiermark – die nimmt man nur, weil man selbst mal fliegen darf, oder?

Ja, das ist ein Burschenfilm. Pilot, Kapitän, Soldat, das ist einfach geil, das muss man machen.

Die Wirtin
mit Sandra Cervik, Ulrich Reinthaller u. a.
Premiere: 29. 1., Theater in der Josefstadt

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