Comeback-Versuche: Zurück ins Showbusiness

Pulp Fiction
Pulp Fiction(c) ORF (-)
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Comeback-Versuche von ehemaligen Schauspielstars gibt es viele – nicht alle glücken. Von ehemaligen Superhelden, geschundenen Männern und Frauen in entrückten Altersrollen.

In Hollywood steht die Zeit still. Jedenfalls, wenn es um Schauspieler geht. Nicht von ungefähr blickt einer der gefragtesten Darsteller des 1980er-Kinos, Michael Keaton, aktuell mit einer Mischung aus kindlicher Freude, Verwunderung und Stolz in die Myriaden Kameras, die seit seiner Golden-Globe-Auszeichnung und Oscar-Nominierung auf ihn gerichtet sind. In Alejandro G. Iñárritus „Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“ spielt er mit viel Furor und Verletzlichkeit einen gestürzten Star-Schauspieler. Dieser ist wie Keaton bekannt geworden als Superheld, versucht sich nun, auf einer Theaterbühne neu zu erfinden und steigt schließlich, komplett delirierend, wie ein Phoenix aus der Asche.

Es ist in vielerlei Hinsicht Keatons eigene Karrieregeschichte, die erzählt wird: All die Selbstzweifel, Selbstverluste, Selbstzerstörungen sind, mal mehr, mal weniger codiert, in den Film eingearbeitet. Für Schauspieler wie Keaton, die für über ein Jahrzehnt komplett aus dem rasend schnell mutierenden Pop-Bewusstsein verschwunden sind, ist es der einzige Weg zurück ins Rampenlicht. „Not with a whimper, but with a bang“, wie T.S. Elliot sagen würde. Es ist, laut ungeschriebenen Hollywood-Gesetzen, komplett unmöglich, dass so einer wie Michael Keaton als klassischer Held wiederkehrt. Die Verletzungen muss man ihm ansehen, die Verzweiflung auch: Den Weg retour in die Mitte der Filmindustrie gilt es sich zu erkämpfen, es ist ein Tribut an die mythische Macht Hollywoods zu zahlen.

Das weiß auch Mickey Rourke: Verquollen und vernarbt ist er 2008 als „The Wrestler“ in den Ring zurückgestiegen: Der mühselige Kampf gegen seine Gegner und inneren Dämonen im Film war als Gleichnis auf Rourkes private und berufliche Achterbahnfahrt konzipiert. Sein missbrauchter, geschundener, gealterter Körper und wie er auf der Wrestling-Bühne in Stellung gebracht wurde, das war gleichsam Bekenntnis und Aufbegehren – ein in Hollywood seltenes, weil zu ehrliches Eingestehen der eigenen Fehlerhaftigkeit bei gleichzeitiger Demonstration einer scheinbar niemals versiegenden Energie und Kraft.

Es ist bestimmt kein Zufall, dass auch Keaton in einem der eindrücklichsten „Birdman“-Momente seinen im Lauf der Zeit korrumpierten Körper herzeigt: In einer weißen Unterhose rennt er panisch über den Broadway, nachdem er sich selbst aus dem Theater gesperrt hat.


Wieder auf dem Olymp. Comeback-Versuche von ehemaligen Schauspiel-Stars gibt es viele. Nicht alle glücken: Arnold Schwarzenegger etwa konnte mit seinen Post-„Governator“-Filmen nicht an frühere Erfolge anknüpfen, und das vor allem, weil er bewusst versucht hat, die währenddessen verstrichene Zeit zu negieren. Der räudige Action-Western „The Last Stand“ sollte 2012 Schwarzeneggers Rückkehr ins bleigeschwängerte Macho-Kino signalisieren, scheiterte aber vor allem an den neuen Jahresringen der steirischen Eiche, die im Film lediglich mit einer Handvoll schlecht geführter Schmähs thematisiert wurden.

Ein Comeback muss mit einer Selbstbild-Korrektur einhergehen. Das kann sich wie im Fall von Michael Keaton und Mickey Rourke um eine bissige bis gnadenlose Demontage des früheren Leinwand-Egos handeln. Oder aber man schlägt gleich ganz neue Töne an: Robert Downey Jr.'s Karriere erholte sich in den Nuller-Jahren nur allmählich von den drogengeschwängerten Exzessen und Ausschreitungen in der Zeit davor. Einige Achtungserfolge in Kritikerlieblingsfilmen wie David Finchers „Zodiac“ ebneten dem Charakterdarsteller schließlich den Weg hinein ins groß angelegte Familienunterhaltungskino. Für den ersten Blockbuster seiner Karriere, „Iron Man“, kanalisierte Downey Jr. sein Image als Störenfried und Exzessmensch und errichtete daraus den Playboy Tony Stark, Alter Ego des titelgebenden Superhelden. Das Publikum liebte den zwar schwerreichen, in seiner ganzen Fehlerhaftigkeit aber volksnah angelegten Charakter. Zwei Fortsetzungen folgten, kurz darauf landete Downey Jr. als „Sherlock Holmes“ noch einen weiteren Welthit.

Auch John Travolta, Posterboy der Siebzigerjahre, musste durch ein tiefes Tränental, bevor er im Kino wiederauferstehen durfte. Architekt seines Comebacks war Quentin Tarantino, der angeleitet von seiner nicht selten ins Manische kippenden Cinephilie überhaupt dutzende Größen der Vergangenheit für das Kino revitalisiert hat, darunter Blaxploitation-Ikone Pam Grier („Jackie Brown“), David Carradine („Kill Bill“) und Kurt Russell („Death Proof“). In „Pulp Fiction“ wird Travolta zum Gauner Vincent Vega, zeigt sich elementar unberührt von Moral und anderer Menschlichkeit. Die Sequenz, in der er mit der entrückten Uma Thurman über das Tanzparkett schwingt, wurde zu einer Essenz des postmodernen 1990er-Jahre-Kinos, Travoltas Image segelte in den Coolness-Olymp, seine Karriere stand danach wieder auf festen Beinen. Jedenfalls bis zu dem Moment, in dem er beim Scientology-Film „Battlefield Earth“ Regie führte.


Unsichtbare Schauspielerinnen. Das amorphe Hollywood nutzt solch schillernde Comebacks gerne dazu, sich selbst als zwar gnadenlos, aber auch grundgütig zu inszenieren. Die Geschichten von denen, die es wieder ins Rampenlicht schaffen, erscheinen als notwendige und gerechte Gegenbewegung zu all jenen ehemals Bekannten, die für immer in Vergessenheit geraten sind.

Besonders hart erwischt es die Frauen: In einer Industrie, die zwar immer wieder auf dem Primat des Talents besteht, die Rollen dennoch nach Aussehen und Attraktivität verteilt, ist die gealterte Schauspielerin so gut wie unsichtbar. Diejenigen, die es schaffen, auf der Leinwand zu bleiben, sind ausschließlich solche, die den Status der Unberührbaren erlangt haben, die zum Synonym, zur Inkorporation der Traumfabrik geworden sind. Meryl Streep spielt in dieser elitären Klasse: Taucht sie in einem Film auf, wird er sofort zum Meryl-Streep-Film. Das eigene Image, die Wirkkraft einer jahrzehntelang kultivierten Karriere, überschattet die Charaktere, die sie zum Leben erwecken soll. Am Ende bleibt es immer Meryl Streep. Dasselbe gilt im Übrigen für männliche Kollegen wie Jack Nicholson und Robert De Niro.

Im Gegensatz zu älteren Schauspielern, die für ein Comeback jedenfalls ihren zerfallenden Körper ausleuchten lassen müssen, werden Frauen mittleren Alters, die auf die Leinwand zurückkehren, für gewöhnlich als wahnsinnig gezeigt. Gloria Swanson, überragende Ikone der Stummfilmzeit, gab in Billy Wilders „Sunset Boulevard“ den Takt vor: Die Rolle der Norma Desmond ist erschütternd offensichtlich an ihren eigenen Karriereverlauf angelehnt. Als ehemalige Stummfilm-Diva stolziert sie in Roben durch eine Villa, in der sich Möbel wie Menschen nach den vergangenen Erfolgen sehnen. Sein und Schein rinnen ineinander und kulminieren in einer der berühmtesten Sequenzen der Filmgeschichte: Die delirierende Desmond gleitet mit anmutiger Haltung und starren Augen die Treppe hinunter, bis ihr Gesicht vor einer Kamera zum Ruhen kommt – was sie mit einem fast beiläufigen, unheimlich aus der Zeit gefallenen „I'm ready for my close-up“ quittiert.


Die entrückten Alten. Swanson selbst lehnte nach ihrem Comeback so gut wie alle Rollenangebote ab, aber die von ihr kreierte Figur wurde zum Vorläufer eines eigenen Genres: Die Schabracken-Schocker, auch bekannt unter dem Begriff „Grand Dame Guignol“, bescherten in den Sechziger-Jahren etlichen in die Jahre gekommenen Edel-Schauspielerinnen die Möglichkeit, noch einmal von der Leinwand zu strahlen, wenn auch in invertierter Aufmachung.

Robert Aldrich popularisierte den „Hag Horror“ 1962 mit dem durchschlagenden Erfolg seines meisterlichen Psychothrillers „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“. Bette Davis und Joan Crawford, die auch abseits der Leinwand einen berühmt-berüchtigten Kleinkrieg führten, spielen darin zwei in die Jahre gekommene Aktricen – eine nach kurzem Kinderstartum alkoholkrank, die andere zum Weltstar aufgestiegen, aber nach einem Unfall im Rollstuhl – und liefern sich einen gnadenlosen Psychokrieg, der die öffentlichen Personas der Hauptdarstellerinnen eng mit der drastischen Geschichte verwebt.

Aldrichs Film kam bei Kritik wie auch Publikum außergewöhnlich gut an, sowohl Crawford als auch Davis kultivierten in den Folgejahren bewusst das Bild der entrückten Alten. In „Wiegenlied für eine Leiche“ sollten sie wieder gemeinsam für Aldrich vor der Kamera stehen, Crawford verließ das Projekt allerdings und wurde durch Olivia de Havilland ersetzt.

Nicht alle Comebacks führen zu wieder erstarkten Karrieren. Aber sie sind die mitunter schönsten Gedächtnisleistungen des Kinos selbst. Dann steht die Zeit in Hollywood einmal nicht still, sondern vergeht. Im Gesicht der Schauspieler. Auf der ganz großen Leinwand.

Geglückte Comebacks

Robert Downey Jr. In den Nullerjahren war sein Image von Drogenexzessen geprägt, als Iron Man kehrte er ins große Kino zurück.

Gloria Swanson. Die Ikone der Stummfilmzeit erlangte mit „Sunset Boulevard“ neuen Ruhm.

Bette Davis. Ihre Rolle in „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“ ist eng mit ihrer eigenen Geschichte verwoben.

Mickey Rourke. In „The Wrestler“ stieg er in den Ring zurück und zeigte seinen vernarbten Körper.
EPA (2), Imago, ZDF/Paramount/Beta

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

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