„Foxcatcher“: Die Zärtlichkeit des Kampfes

Foxcatcher
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„Foxcatcher“ erzählt auf trockene, aber handwerklich eindrucksvolle Weise die Lebensgeschichte des Millionärs John E. du Pont, der ein Ringerteam ausbildete.

Die Nase von John E. du Pont ist gewaltig. Sie schießt aus dem Gesicht wie ein Haken; oder wie der Schnabel eines Greifvogels. „Goldener Adler“ nennt sich der Erbe eines über mehrere Generationen hinweg angehäuften Vermögens selbst. Damit verweist er einerseits auf seinen glühenden Patriotismus, andererseits auf eines seiner zahlreichen Hobbys: Du Pont ist leidenschaftlicher Ornithologe. In den Siebzigerjahren unternimmt er Expeditionen auf die Philippinen und verfasst im Anschluss Fachartikel über seine Erkenntnisse. Er sei „Ornithologe, Philatelist, Philanthrop“, und zwar in genau dieser Reihenfolge.

Wie ein Mantra lässt er den jungen, muskulösen Mann, der neben ihm im Hubschrauber sitzt, diese stichwortartige Selbstdarstellung auswendig lernen. Mark Schultz (umwerfend: Channing Tatum) ist erst vor Kurzem auf du Ponts „Foxcatcher Farm“ gezogen. Er ist ein talentierter Freistilringer, sein reicher Gönner möchte ihn zu den Olympischen Spielen schicken. Dort soll er Gold gewinnen, „für Amerika“.

Bennett Millers fünffach Oscar-nominiertes Drama „Foxcatcher“ ist ein kalter Film, eine hoch konzentrierte Vivisektion von John E. du Ponts zunehmend psychotischem Verhalten, destilliert aus Mark Schultz' Memoiren, die in den USA zeitgleich zum Filmstart veröffentlicht wurden. Die klaren Bilder des australischen Kameramanns Greig Fraser, der zuletzt Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“ fotografiert hat, machen allerdings von Anfang an klar, dass es hier um mehr geht. Der Mann du Pont ist nicht denkbar, nicht zeigbar ohne sein Vermögen. Man sieht ihn im Haus, vor dem Haus, auf dem Grund: eine untersetzte Kreatur, deren Füße aus Kraftlosigkeit über den Boden schleifen.

Im wirklichen Leben hätte er keine Chance gehabt. Erinnerungen an die Tradition der Inzucht in aristokratischen Familien werden wachgerufen. Der Familiensitz verwandelt sich, ähnlich wie das gotische Herrenhaus Xanadu in Orson Welles' „Citizen Kane“, in einen vom Rest der Welt abgetrennten Mikrokosmos, in dem nur mehr dynastische Regeln, also du Ponts Weisungen, gelten.

Botschaft: Geld entmenschlicht

Mark Schultz, das verarmte Arbeiterkind mit sportlichem Talent, sieht das anfangs nicht. Die Idee, mit einem Multimillionär befreundet zu sein, ist zu verlockend. Steve Carell, vor allem bekannt geworden mit komödiantischen Parts wie etwa in „Anchorman“, spielt du Pont extrem präzise: Jede Geste, jede Haltung, jede Bewegung spricht von Getriebenheit und Hybris. Miller verweigert eine klassische Psychologisierung dieser unheimlichen Figur. Lediglich seine unterkühlte Beziehung zur Mutter (Vanessa Redgrave in einer Kleinstrolle) dient als narrative Unterlage: Sie züchtet Englische Vollblüter und missbilligt die Leidenschaft ihres Sohnes für das Freistilringen, eine „niedere Sportart“, wie sie ihm sagt. Der wiederum behandelt seine Athleten wie einen Rennstall: Als Mark, nicht zuletzt aufgrund wilder Kokserei mit du Pont selbst, seine Leistungsfähigkeit gefährdet, holt sein Gönner und „Cheftrainer“ Schultz' älteren Bruder Dave (beeindruckend: Mark Ruffalo) auf die „Foxcatcher Farm“.

Millers Film kreist im Kern um beschädigte Männer. Plump stampft Mark über das Anwesen, keine Faser seines Körpers, nichts in seiner Seele, darf Zärtlichkeit zulassen. In du Pont findet er einen ähnlich Gebrochenen. Das Freistilringen selbst bringt Miller schnell als Kompensationsritual dafür in Stellung. Vor allem das Herantasten, Antatschen des Kontrahenten zu Beginn nimmt dabei homoerotische Züge an. Und auch die Beziehung zwischen Mark und du Pont wird freundschaftlicher, zärtlicher. „Foxcatcher“ wird dadurch schnell zu einem Film mit einer klaren Botschaft: Vermögen und Besitz führen zu einer Entmenschlichung, in letzter Konsequenz auch zur Menschenfeindlichkeit, mit allen politischen und gesellschaftlichen Implikationen. Geheimnis gibt es keines, Spannung ebenso wenig: Über weite Strecken genügt sich dieser Film als trockenes und sprödes, immerhin aber handwerklich eindrucksvolles Psychodrama.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2015)

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