Filmschau: Porno in Österreich

(c) Filmarchiv Austria
  • Drucken

"Hauptsache Fleisch?" widmet sich, recht respektabel, Erotik und Pornografie im heimischen Kino. Bis 28. April im Wiener Metro-Kino.

Sex und österreichisches Kino, das war erst eine echte Erfolgsgeschichte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten die Produkte der Firma Saturn-Film des Wiener Fotografen Johann Schwarzer international Erfolg: Pikante „Herrenfilms“ boten Nacktheit anhand durchschaubarer Sujets (mit unmissverständlichen Titeln wie Sklavenmarkt) oder kleiner Abenteuer (Eine moderne Ehe: beiderseitiger Seitensprung).

Im Katalog der Saturn-Film hieß es 1907: „Wir machen an dieser Stelle aufmerksam, dass unsere Films rein künstlerischer Tendenz sind und wir auf das Peinlichste vermeiden, der Schönheit durch Geschmacklosigkeit Abbruch zu tun.“ Um drohende behördliche Intervention zu verhindern, galt es, sich zu distanzieren von den pornografischen Handlungen, die mancherorts von einschlägigen filmischen Petitessen präsentiert wurden. Trotzdem kam es 1911 zur polizeilichen Beschlagnahmung der Saturn-Filme: der Anfang vom Ende der Firma.

Ein Jahrhundert später ist Sex in den Medien allgegenwärtig geworden; die Ausstellung „The Porn Identity“ folgt ebender Pornospur durch die (Pop-)Kultur, begleitend widmet sich nun die Filmreihe „Hauptsache Fleisch?“ Erotik und Pornografie im österreichischen Kino. Geschmacklosigkeit tut da der Feldforschung kaum Abbruch: Während die eben auf DVD erschienene heimische Insiderdokumentation Porno Unplugged vor allem von Hilflosigkeit im Umgang mit dem Phänomen kündet, regieren in der Retrospektive renommierte Namen und Filme künstlerischer Tendenz. Porno spielt eher als Projektionsfläche eine Rolle – ob für bürgerliche Sexualneurosen in Michael Hanekes Traumaspiel Die Klavierspielerin oder als vermeintliches Erfolgsrezept in Michael Glawoggers Komödie Nacktschnecken.

Deren erfrischende Unbekümmertheit fehlt sonst ein wenig, trotz Abstechers zur 60er-Sexklamotte (ein Alibi-Antel: Frau Wirtin hat auch eine Nichte) oder in 80er-Videothekenkult (Sukkubus). Sexuellen Zeitgeist illustrieren die üblichen Verdächtigen: Eddy Sallers scheinheilig keuchender Triebtäterreißer Geißel des Fleisches oder Franz Novotnys Wienstreifzug Exit... Nur keine Panik.

Skandalöse Nacktheit, freizügige Kunst

Üppiger fällt der Überblick zu respektabler Kinoerotik aus: Vom schwülen Zwischenkriegsmelodram Ekstase, wo Hedy Lamarr (damals: Kiesler) als skandalöse Freikörperflaneuse auftrat, zu Götz Spielmanns rezentem Episodenfilm Antares, dessen Beischlafszenen an die Freizügigkeit jüngerer französischer Kunstfilme anschließen.

Aber allein Hans-Christof Stenzels Sittenfarce Obszön – der Fall Peter Herzl wirkt provokant, sieht man von einigen experimentellen Kurzfilmen ab, etwa den ganz gegensätzlichen Masturbationsexkursen von Mara Mattuschka und Albert Sackl.Auch beim Sex hatte eben Österreichs Avantgardefilm die längste Zeit die Nase vorn.

Bis 28. April im Wiener Metro-Kino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.