"Ma Folie": "Traue ich dem, was ich sehe?"

(c) Thomas Maier
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Andrina Mračnikar legt mit "Ma Folie" ihren ersten Spielfilm vor. Den Zuschauer will sie in den Psychothriller mithineinziehen – und keine eindeutige Wahrheit liefern.

Von der idyllischen Liebesgeschichte zum beklemmenden Psychothriller: „Ma Folie“, das bildstarke, düstere Spielfilmdebüt der Kärntner Regisseurin Andrina Mračnikar, spielt mit den Genres. In einer Pariser Bar lernt Hanna Yann kennen, sie verlieben sich, er folgt ihr nach Wien. Doch ihr Glück währt nicht lange – aus Eifersucht beginnt Yann, Hanna zu kontrollieren und zu bedrohen. Statt der poetischen Liebesbriefe in Handyvideoform schickt er ihr nun Horrorszenen, die nahelegen, dass er sie ständig beobachtet. Bald weiß Hanna nicht mehr, was wirklich geschieht und was sie sich in ihrer Paranoia nur einbildet.


Sie haben 2005 den Carl-Mayer-Drehbuchpreis für das Treatment zu „Ma Folie“ gewonnen. Haben Sie sich so lang nicht an den Film herangetraut?

Ich hätte mich sofort getraut. Es gab bald Interesse von Produktionsfirmen: Ich habe mich dann für eine Firma entschieden, das hat aber nicht gut geklappt. Danach habe ich parallel meinen Dokumentarfilm „Der Kärntner spricht Deutsch“ gemacht und meine Studien abgeschlossen. Und immer wieder an neuen Fassungen für „Ma Folie“ gearbeitet. Es ist auch ein Vorteil, dass es so lang gedauert hat. Ich konnte den Themenkomplex um Vertrauen und Wahrnehmung klarer herausarbeiten: Traue ich dem, was ich sehe und höre? Inwieweit trauen wir den Medien?


Reizt Sie als Regisseurin das Spiel mit der Manipulation? Man tendiert ja als Zuschauer dazu, für wahr zu halten, was man in einem Video sieht.

Genau – obwohl wir längst über die Manipulationskraft von Bildern Bescheid wissen. Natürlich haben Regisseure vor mir schon zu dem Thema gearbeitet: Alfred Hitchcock hat mit dem Film „Die rote Lola“ das Publikum entsetzt, weil er eine Erzählung bebildert hat, die sich dann als reine Lüge herausgestellt hat. Das hat mich sehr fasziniert. Sehr gern mag ich auch „Fight Club“, er bietet aber am Ende eine klare Wahrheit an. Und so einfach wollte ich es mir und den Zuschauern nicht machen. Ich wollte erreichen, dass man Hanna nicht von außen beobachtet, sondern ihre Zweifel selbst verspürt und der eigenen Wahrnehmung nicht ganz traut.


In einem Interview sagten Sie, Sie misstrauen den allwissenden Erzählungen.

Das mag ich auch im Dokumentarfilm nicht, diese angebliche Objektivität. Natürlich gibt es Dinge, die belegt sind. Man kann nicht anfangen, den Holocaust zu leugnen. Mein Vertrauen zu den subjektiven Erzählungen ist aber manchmal größer – weil klar ist, dass sie subjektiv sind. Und damit oft wahrhaftiger als Dinge, die behaupten, wahr zu sein. Fernsehdokumentationen etwa behaupten oft, Dinge zu wissen, die vielleicht nicht ganz so gewiss sind.


Seit Sie mit dem Drehbuch begonnen haben, hat sich technisch viel weiterentwickelt. Überwachung ist allgegenwärtig, jeder kann mit seinem Handy seine Nachbarn ausspionieren.

Das ist natürlich brisanter und aktueller geworden. Ich finde diese Allmacht von Bildern und Videos eher erschreckend. In der ersten Version hat Yann noch mit einer Kamera gefilmt und Hanna VHS-Kassetten geschickt. Das habe ich angepasst.


Seine „lettres filmées“ haben Sie wirklich mit dem iPhone gedreht?

Zuerst haben wir überlegt, ob das iPhone gut genug ist, dann war es sogar zu gut. Wir haben die Qualität runtergedreht, damit man den Unterschied zum Film besser merkt.


Sie haben als Teenager schon Preise für Ihre Kurzfilme gewonnen. War Regisseurin ein Kindheitstraum?

Nein. Ich wollte lieber Malerin werden. Meine ersten Erfahrungen als Regisseurin waren eigentlich gar nicht so toll: Ich musste mit Mitschülern und Freunden drehen, die gar keine große Lust dazu hatten oder eingekifft ans Set kamen. Ich fand das Drehen so mühsam! Außerdem habe ich verstanden, was Drehbuch ist, und was Schauspiel und Kamera – aber was Regie eigentlich sein soll, war mir noch nicht so bewusst.


Was ist Regie denn?

Das ist immer noch schwierig. Ha! Man darf am Ende alles entscheiden!

Zur Person

Andrina Mračnikar wurde 1981 in Hallein (Salzburg) geboren und wuchs in Kärnten und Slowenien auf. Schon als Jugendliche gewann sie diverse Preise beim Internationalen Kurzfilmfestival in Ebensee. 2002 begann sie ein Drehbuchstudium an der Filmakademie Wien, ab 2003 studierte sie zusätzlich Regie bei Michael Haneke. Ihr Dokumentarfilm „Der Kärntner spricht Deutsch“ über Kärntner Slowenen in der Nazi-Zeit brachte ihr 2007 den Diagonale-Preis für den Besten Nachwuchsfilm ein. „Ma Folie“, dessen Treatment schon 2005 mit dem Carl-Mayer-Drehbuchpreis ausgezeichnet wurde, ist ihr erster eigener Spielfilm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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