Sich treiben lassen im Film-Mekong

Take what you can carry
Take what you can carry(c) Stadtkino
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Das neue Haus zeigt zwei Filme in rarer Länge: „Take What You Can Carry“ von Matt Porterfield und „Mekong Hotel“ von Apichatpong Weerasethakul.

Mittellange Filme sitzen zwischen den Stühlen – zu lang für die Pointiertheit eines Kurzfilms, zu kurz, um sich mit den Großen zu messen. Wie lang ist mittellang? Bei Festivals fallen Arbeiten zwischen 30 und 60 Minuten in diese Kategorie. Ernst genommen werden Regisseure erst, wenn ihr Schaffen die 70-Minuten-Marke erreicht. Das ist historisch gewachsen: War Knappheit in den Anfangstagen des Mediums noch opportun, passte die Filmdauer sich später bestehenden Normen an, namentlich jenen des Theaters.

Der Kurzfilm entwickelte sich zum Übungsformat und einer Spezialität mit Sonderkanon und Fankultur, die man nächste Woche bei den Vienna Independent Shorts (26.–31.Mai) sehen kann. Mittellange Filme hingegen traf man bald nur noch im Avantgardebereich an – etwa in „Simón del desierto“, Luis Buñuels dreiviertelstündigem Surrealistenstück um einen Säulenheiligen.

Aber das Format ist nicht ausgestorben, das zeigt eine Doppelprogrammierung ab 22.Mai im Wiener Stadtkino. Der mit 59 Minuten längere Teil gilt dem thailändischen Cannes-Preisträger Apichatpong Weerasethakul: „Mekong Hotel“ (2012) steht den Langfilmen des einzigartigen Filmemachers in nichts nach. Er kondensiert dessen Stilrepertoire zu einer vielschichtigen Miniatur, die ihren eigenen Rhythmus sucht und findet. Der Titel gibt den Schauplatz vor: In einer kleinen, lichten Uferpension kommt es zu Begegnungen unter vertrauten Fremden.

Die Grenzen zwischen Dokument und Fiktion, Traum und Wirklichkeit sind völlig verschwommen. Ist die Frau, die Flüchtlingserinnerungen aus der Kriegszeit erzählt, zugleich die Schauspielerin, die für einen Geisterfilm probt, oder gar ein blutdürstiges Gespenst? Apichatpong kennt keinen Unterschied – seine Figuren sind nicht von den Menschen, die sie darstellen, zu trennen.

Filigranes Gewebe

So strickt er ein filigranes Gewebe aus ihren Geschichten und der Historie seines Landes. Der Mekong-Fluss ist stets präsent, ob im Bildhintergrund oder in den Gedanken des Zuschauers, während die sanften Arpeggios des Gitarristen Chai Bhatana ohne Unterlass durch die Tonspur plätschern. Lässt man sich treiben, fühlt man sich bald wie zu Hause.

Der kürzere Beitrag zum Double Feature ist eine aktuelle Arbeit der US-Indie-Hoffnung Matt Porterfield, in Berlin und zum Teil auch mit deutschen Schauspielern gedreht. Geteilt in zwei Sequenzen zeigt „Take What You Can Carry“ zunächst eine unaufgeregte Morgen-danach-Szene: Sie (Hannah Gross) steht auf, macht Frühstück, Er (Jean-Christophe Folly) nimmt eine Gitarre, streicht über die Saiten. Es folgt eine moderne Tanzperformance, abschließend bereitet sich die weibliche Hauptfigur auf die Abreise vor. Die Episoden porträtieren eine junge Boheme, das Handlungsgerüst besteht nur aus Andeutungen – und lädt gerade deshalb zu wiederholten Sichtungen ein.

Verringerte Produktionskosten verleiten jüngere Filmemacher dazu, kurze Debütfilme auszudehnen. Kuratoren begrüßen diese Entwicklung nur bedingt. Porterfield berichtete in einem Interview, dass die Länge seines Films der Vermarktung hinderlich war, er überlegt, ihn als Installation in Museen unterzubringen – er gehört mit seiner präzisen Struktur aber auf die Kinoleinwand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015)

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