Crossing Europe: Naturbilder mit Nazizombies

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Zum Kulturhauptstadt-Jahr Linz09 bestätigte sich das Filmfestival als besonderes Kinoereignis und bot Höhepunkte der europäischen Jahres-Produktion.

"Und wer soll denn dafür die Zielgruppe sein?", will ein Zuseher nach dem Film wissen. Die pointierte Antwort des jungen deutschen Regisseurs Jan Krüger: „Ich!“

Das ist nicht überheblich gemeint. Seinen zweiten Spielfilm Rückenwind hat der preisgekrönte Filmemacher Krüger billigst realisiert, für einen auf schwule Stoffe spezialisierten Kunstfilmverleih: Video, vier Schauspieler, 40.000 Euro Budget. Eingelassen auf das unterfinanzierte Experiment hat sich Krüger, weil er dafür etwas drehen konnte, was er persönlich sehen wollte – aber im normalen Kinobetrieb kaum zu sehen ist.

Die Freiheit ist zu spüren, etwa im unaufdringlichen Umgang mit Homosexualität: Selbstverständlich schildert Krüger, wie ein Paar junger Städter beim Naturtrip erst die Räder, dann die Orientierung verliert. Als das Duo zum Hof eines seltsamen Mutter-Sohn-Gespanns kommt, wanken die Beziehungsverhältnisse, mit schillernden Resultaten.

Kosmonauten und Renitente

Rückenwind ist ein kleiner, keineswegs makelloser, aber faszinierender Film, weil er so persönlich ist. Genau deshalb käme er aber auch ohne Festivaleinsatz kaum ins Kino: Im regulären Betrieb wird das Individuelle zusehends vom Kommerziellen verdrängt. Gegen diese Verengung arbeitet das Filmfest „Crossing Europe“ seit sechs Jahren, hat sich längst als ein besonderes heimisches Kinoereignis etabliert. Junges Kino wie Rückenwind wird da sichtbar gemacht, aber auch hierzulande sonst sträflich ignorierte Höhepunkte europäischen Filmschaffens.

Die verlängerte Ausgabe zum Kulturhauptstadtjahr Linz09 belegte das vorige Woche eindrucksvoll: Etwa mit der großen, modernen Kosmonautensaga Paper Soldier des russischen Ausnahmeregisseurs Alexey German jr.; oder mit Four Nights With Anna, dem tragikomischen Comeback des polnischen Altmeisters Jerzy Skolimowski; oder mit North Coast,einem eigensinnigen Dokumentarporträt der Stadt Calais anhand renitenter Einheimischer, das zum bewegenden Film über Widerstand wächst. Ein überragendes Ereignis war die Präsentation der „Mutter“-Trilogie des italienischen Horrorfilmgenies Dario Argento: Im Zusammenspiel mit den farbintensiven Alptraumklassikern Suspiria (1977) und Inferno(1980) entfaltete das echt surreale, schrille Spektakel der neuen Produktion Mother of Tears erst seine wahre schreckliche Größe.

Heiteren Horror aus Norwegen bot dafür Tommy Wirkolas absurder Schocker Dead Snow:Nazizombies wanken durch prächtige Schneelandschaften – was die berauschenden Naturbilder in den Zeitrafferstudien der Norwegerin Inger Lise Hansen ideal ergänzte. Es war wie eine Verdichtung des Entdeckungsangebots eines Festivals, das sich den qualitativen Luxus nimmt, nicht nur in Zielgruppen zu denken. Ein Luxus, der sich lohnt, wie der Publikumsandrang zeigte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2009)

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