Was hätte aus den Minions werden können!

Minions
Minions(c) Universal Pictures
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Nachdem sie zweimal als Sidekick begeisterten, bekamen die glupschäugigen gelben Wesen einen eigenen Kinofilm. In ihm suchen sie einen Meister. Doch das anarchische Potenzial der Minions wurde leider nicht ausgeschöpft.

Sie sind klein, gelb und erinnern frappant an Ohrstöpsel. Ihr einziges Lebensziel ist es, einem strengen und möglichst bösartigen Meister dabei behilflich zu sein, die Welt zu erobern – oder sie in Schutt und Asche zu legen, je nach Schurkenpersönlichkeit. Bekannt geworden sind die Kreaturen als Vasallen des außen harten, innen zarten Bösewichts Gru in den zwei „Ich – Einfach Unverbesserlich“-Filmen: Beide waren Welterfolge, und das nicht zuletzt aufgrund eben dieser Minions.

Ihr erster eigener Kinofilm beginnt mit einer famosen Animationssequenz von unter Wasser tanzenden und sich vermehrenden Zellen. Die Evolution schreitet voran: Und als die Stöpsel dann irgendwann aus dem Ozean steigen, erkennen sie auch flugs ihre Raison d'Être. Aber weder ihr erster Meister, ein T-Rex, noch die darauf folgenden, wie Dschingis Khan, Napoleon und Dracula, erkennen das Potenzial der Minions. Das ist auch kein Wunder, da ihre Welteroberungspläne von den Lakaien immerzu, allerdings unabsichtlich, sabotiert werden. Nach Jahrhunderten in selbst gewählter Isolation in der Antarktis schwingen sich drei Minions dann zu einer Reise auf, um vielleicht doch noch den Meister zu finden, dem sie auf immer und ewig dienen können.

Sandra Bullock spricht die Schurkin

Dramaturgisch betrachtet haben Sidekicks die Aufgabe, einen zumeist humor-betonten Kontrapunkt zu den hochtrabenden und ernsthaften Helden, in dieser Filmreihe eher Schurken, zu liefern. Sie zu Hauptfiguren zu befördern, ist genau aus diesem Grund keine einfache Sache. Bei „Minions“, inszeniert vom „Ich – Einfach Unverbesserlich“-Schöpfer Pierre Coffin und Kyle Balda, stellt sich schnell die Frage, was zuerst da war: der Marketingplan oder die Filmidee. Letztere wirkt nämlich, gelinde gesagt, uninspiriert. Während die Eröffnungsmontage die Minion-Evolution noch reizend nacherzählt, sind die folgenden eineinhalb Stunden gut abgehangene Animationsarbeit ohne besondere Auffälligkeiten. Minions suchen Schurken, Minions finden Schurkin (im Original immerhin grandios gesprochen von Sandra Bullock), Minions erkennen, dass sie von Schurkin nur ausgenutzt wurden, was sie zu einer noch böseren Schurkin macht. Als solche hat sie die Minions gleich in einen Kerker geworfen.

Über das Handlungsgerüst drüber gesprenkelt finden sich dann etliche Grundfesten der klassischen Slapstick-Komödie: Unfälle, Zwischenfälle, Verwechslungen, all das natürlich mit dem Niedlichkeits-Bonus, dass immer die glupschäugigen, grinsenden, Schabernack treibenden Minions involviert sind. Deren infantiles Gebrabbel, gebaut um Wörter wie „Banana“, „Papaya“ und „La Cucaracha“, amüsiert am Anfang noch durchgängig, verliert durch den Gewöhnungseffekt aber an Attraktionspotenzial.

Nichts an der Arbeit der Regisseure legt nahe, dass sie mehr wollten als das Erwartbare. Das ist schade, da die latent anarchischen, Lemming-haften Minions an sich durchaus das Potenzial hätten, auch in einer ambitionierteren Erzählung zu funktionieren. Man stelle sich vor, ihre Evolution würde voranschreiten, und sie würden sich irgendwann gegen die sie bestimmenden Kräfte auflehnen. Oder einem Diktator dienen und ihn mit ihrer Tollpatschigkeit demontieren.

Die Fantasie dem Marketing geopfert

Vielleicht gab es diese Ideen sogar. Aber thematische Unreinheit, in dem Sinn, dass infantile Gaudi mit seriöseren Elementen gemixt wird, gibt es in Hollywood im Kinder-Entertainment seit den späten Achtzigern kaum mehr. Damals führten dunkle Märchen wie Joe Dantes Meisterstück „Gremlins – Kleine Monster“ in den USA sogar zu einer Verfeinerung des Altersfreigabe-Systems: Die neue Kategorie PG-13 hielt dazu an, dass sich Kinder unter dreizehn Jahren den Film nur in Begleitung eines Erwachsenen ansehen dürfen. Aber auch Trickfilme wie „Das letzte Einhorn“ schufen eine Melange aus Elementen für Erwachsene und Kinder.

Das passt den großen Studios nicht mehr ins Marketing. Eine teure Produktion, die keine fixen Zielgruppen anvisieren kann, gilt als riskant. Ausnahmen wie einige Pixar-Produktionen oder das „LEGO Movie“ bestätigen die Regel. „Minions“ hingegen lehnt sich kein Stück weit über die „Unterhaltung für die ganze Familie“-Blaupause hinaus. So liegt es an einem selbst, spannende Gedanken zu spinnen. Etwa den: Wenn die Minions nicht in die Isolation gegangen wären, dann hätten sie auf der Suche nach dem bösesten Bösewicht auch irgendwann im Dritten Reich landen müssen. Hitler und seine gelben Schergen: Es wird wohl wieder einmal an der kontinuierlich brillanten TV-Animation „South Park“ liegen, diesen unheiligen Gedanken in die Tat umzusetzen. Banana!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2015)

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