„Ricki And the Flash“: Sie singt nur, sie sei eine Kalte

Ricki And the Flash
Ricki And the Flash(c) Sony Pictures
  • Drucken

In „Ricki And the Flash“ sucht Meryl Streep als Rockmusikerin wieder Anschluss an ihre entfremdete Familie. Zumindest gerät der Film nicht allzu versöhnlich.

Dafür hat sie also einst ihre Familie, ihren Mann und die drei Kinder verlassen: Rocksängerin Ricki Randazzo (Meryl Streep), gute sechzig Jahre alt, steht mit ihrer Band The Flash auf der Bühne einer typisch amerikanischen Bar und covert Lady Gagas Pophit „Bad Romance“. „Für die Jungen“, sagt sie und tatsächlich gibt es unter den gut 30 Zuhörern ein paar, die aufspringen und mittanzen. Die Karriere als Musikerin hat sich die Titelfigur des Films „Ricki And the Flash“ wohl anders vorgestellt. Leben kann Ricki von ihren Gigs nicht. Tagsüber steht sie mit dick kajalstiftumrandeten Augen an einer Supermarktkassa.

Trotzdem wirkt sie einigermaßen zufrieden, bis ihre Vergangenheit sie einholt. Tochter Julie steckt in einer tiefen Depression, seit ihr Mann sie für eine andere verlassen hat. „Manchmal braucht ein Mädchen seine Mutter“, sagt Ricki und steigt ins Flugzeug, auch wenn ihre Tochter und ihre beiden Söhne nichts von ihr wissen wollen. So platzt die Sängerin, die eigentlich Linda heißt, in das beschauliche Vorstadtleben ihrer Familie. Reibungslos geht diese Familienzusammenführung freilich nicht vonstatten.

Porträt oder Familienkomödie

Drehbuchautorin Diablo Cody, die mit „Juno“ 2007 ihren Durchbruch gefeiert hat, gelingt oft ein frischer Blick auf das Spießbürgertum – wie Ricki die protzige Villa ihres Exmanns, Pete (Kevin Kline), durchstreift, von Wohlstand angezogen und abgestoßen zugleich, ist vergnüglich. Schade, dass die (zum Teil abstruse) Handlung so hektisch vorangetrieben wird. Insgesamt fehlt dem Film der Fokus – oder die Geduld. So wirkt jene Szene, in der Mutter und Vater den Exmann ihrer betrogenen Tochter in einer Bar stellen, schlicht übertrieben. Nicht einmal der 19-fach Oscar-nominierten Streep, die sich in der Rolle der Ricki sichtlich wohl fühlt, gelingt der Spagat zwischen Gefühlsduselei und Aggression.

Das ist symptomatisch für den Film, der insgesamt unentschieden bleibt: Rickis ständig in Andeutungen präsente Vergangenheit (samt ihren erstaunlich konservativen politischen Ansichten), ihr Zögern, mit ihrem Gitarristen (Rick Springfield) eine richtige Beziehung einzugehen, ihr Kampf um weibliche Selbstbestimmung und ihr Konflikt mit der Frau ihres Exmanns (Audra McDonald), die nur zu gern die Rolle der Mutter und Hausfrau ausfüllt: Ist der Film Porträt oder Familienkomödie? Beides nur halb. Im Deutschen heißt der Film „Ricki – Wie Familie so ist“, das ist irreführend, denn in welcher Familie ist Mama schon Rockerin?

Getroffen sind hingegen die Szenen des geschiedenen Paars, Ricki und Pete, das offenbar immer noch Gefühle füreinander hegt. Kline und Streep umkreisen einander, das eine Mal in näherer, das andere Mal in weiterer Entfernung. Er fühlt sich von ihrer Unabhängigkeit angezogen, wie auch die passiv-aggressive Julie, eindrucksvoll verkörpert von Streeps Tochter Mamie Gummer.

Zu den stärksten Momenten des Films zählen Rickis (zahlreiche) Auftritte. Die Filme von Regisseur Jonathan Demme, einst mit dem Psychothriller „Das Schweigen der Lämmer“ stilbildend, handeln gern von Selbstanalyse und Selbstkritik, aber er hat auch Videoclips für New Order und Bruce Springsteen gedreht. Er weiß Musik zu inszenieren – und lässt Streep, deren Stimme zuweilen an einen weiblichen Springsteen erinnert, ihre Gefühle auf der Bühne zeigen. „I'm a cold one“ heißt es in einem von Rickis eigenen Songs. Im Umgang mit ihren Kindern wird schnell deutlich: Sie ist das Gegenteil davon. Allzu versöhnlich gerät der Film trotzdem nicht. In Familien geht es schließlich weniger um Happy Ends als um stetes Ringen ums Zusammenhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.