"Pan": Fliegende Piratengaleeren

(c) Courtesy of Warner Bros. Picture
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Film. Joe Wrights neuer „Pan“ bietet tolle Special Effects, ist mit Levi Miller oder Hugh Jackman fein besetzt, wirkt aber geheimnislos: eine Heldenreise im Blockbuster-Mainstream.

London im Zweiten Weltkrieg. Peter wurde von seiner Mutter im Waisenhaus abgegeben, dort quälen ihn und die anderen Knaben grausame Nonnen. Die Luftschlacht zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und den Briten hat begonnen. Immer mehr Kinder verschwinden. Werden sie aufs Land geschickt – oder verkauft, an Piraten, die nächtens die Schlafsäle plündern?

Eine ganz neue Peter-Pan-Geschichte wollte Joe Wright für den Unterhaltungsriesen Warner Bros. erzählen. Budget: 150 Millionen Dollar. Tatsächlich ist „Pan“ eine Mischung aus vielem, das die Blockbuster-Industrie die letzten Jahre hervorbrachte: Von „Indiana Jones“ bis „Avatar“, von „Herr der Ringe“ bis zu den „Chroniken von Narnia“.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig innovativ die Filmindustrie mit den ihr zur Verfügung stehenden exorbitanten technischen Möglichkeiten umgeht. Da wird in kaum variablem Design immer die gleiche Geschichte erzählt: Der kleine Held sucht seine Wurzeln, er trifft auf einen übermächtigen Gegner, er hat große Angst, er kämpft sich durch, schlussendlich ist er gereift.

Wenn du im Kino sitzt, dir ein Geschoß genau ins Auge fliegt, und du unverletzt bleibst, weißt du: Hier ist 3-D am Werke. Aus dem vom Krieg zertrümmerten London wird Peter Pan entrückt in ein nicht minder grausames Nimmerland. Dort klopfen Heerscharen von Kids Steine, um für den miesen Piraten Blackbeard Kristalle zu beschaffen, die ihm ewige Jugend bescheren. Pan und einem ruppigen Cowboy namens Hook gelingt die Flucht zu den Eingeborenen, die den Zugang zum weit abgelegenen Feenreich kennen. Dort will Pan seine Mama suchen . . .

Die Geschichte mag wenig originell sein, die Ausstattung, die Optik sind phänomenal, es bietet sich ein wahres Schauvergnügen. Fliegende Piratenschiffe, halsbrecherische Seilbahnfahrten, Urwald in allen Grünschattierungen, Gewässer mit blonden Meerjungfrauen und eine gewaltige Höhle voller Bergkristalle, die Reise durch Natur- und Technikwunder hält den Zuschauer in Atem.

Wie man den Kinderfilm erneuert

Auch an der Besetzung ist nichts auszusetzen: Der Australier Levi Miller zeigt Pan nicht wie im Original als Jungen, der nicht erwachsen werden will, im Gegenteil, dieser Bub will allen Anforderungen gerecht werden und das Feenreich seiner Eltern vor den Piraten beschützen. Hugh Jackman als Blackbeard, ein Öko-Terrorist, der die Verödung Nimmerlands in Kauf nimmt, für seine Jugenddroge, wirkt wie einer der skrupellosen spanischen Konquistadoren um Hernán Cortéz und nicht wie ein Pirat. Garrett Hedlund als fescher Hook flirtet mit der Indianerprinzessin Tiger Lilly (so schön wie wehrhaft: Rooney Mara). Und Adeel Akhtar zeichnet die in solchen Filmen obligate lustig-skurrile Person, Sam Smiegel: Dieser hat genug von der Piraterie und dem Protokollieren von Kinderarbeit und verhilft Pan und Hook zur Flucht. Auch wenn man das nicht immer merkt, die Filmwirtschaft versucht einen Relaunch ihrer so immens lukrativen Kinder-Jugend-All-Age-Filme. Tim Burton zeichnete 2010 „Alice in Wonderland“ als Selbstfindungstrip mit Horrorelementen. John Lee Hancock erzählte 2013 in „Saving Mr. Banks“ mit einer wunderbaren Emma Thompson, einem passend widerwärtigen Tom Hanks als Walt Disney und Colin Farrell als tieftragischer Vaterfigur die wahre Geschichte von „Mary Poppins“ in überbelichteten Albtraumbildern. Ähnliche Wege wollte vielleicht auch Joe Wright beschreiten, der 1972 geborene Brite, der mit Literaturverfilmungen wie „Stolz und Vorurteil“ nach Jane Austen und „Abbitte“ nach Ian McEwan erfolgreich war. Aber Wright blieb im Dschungel des allzu Vertrauten stecken.

Peter-Pan-Versionen gibt es viele. Weniger bekannt als die Disney-Version ist das Musical mit Mia Farrow als androgynem Pan (1976). Auch Steven Spielbergs „Hook“ (1991) ist sehenswert: Der Film zeigt Pan als reizbaren Anwalt, der seine Kinder vernachlässigt, bis sie Captain Hook entführt. Interessant zu lesen ist auch das Original: „Peter Pan“ vom Schotten J. M. Barrie, ein vor Unausgesprochenem, Unaussprechlichem knisterndes Buch, ein raffiniert und kulinarisch verschlüsseltes Sittenbild des 19. Jahrhunderts, in dem finstere Leidenschaften gern in schillernde Fabeln voller heimtückischer Abgründe verwandelt wurden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

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