Der kleine Prinz in neuen Kleidern

(c)
  • Drucken

Saint-Exupérys Klassiker als zauberhafte Animation von Hollywood-Regisseur Mark Osborne, soeben im Kino. Und Peter Sloterdijk hat das Buch neu übersetzt.

Der Vorsokratiker Heraklit denkt sich laut Überlieferung das spielende Kind als König. Auch bei dem französischen Dichter Antoine de Saint-Exupéry erscheint in dessen erfolgreichstem Werk ein Herrscher in solch unschuldiger Gestalt. Der Protagonist des schmalen Buches „Der kleine Prinz“ staunt voll Offenheit und fragt beharrlich nach, als ob er in einer Zeit lebte, in der das Wünschen noch helfen würde. Beinahe seit einem Menschenalter ist nun dieses seltsame Wesen auf der Welt und bringt Erwachsene wie Kinder zum Nachdenken. Die 1942 geschriebene, im Jahr darauf mitten im Zweiten Weltkrieg publizierte Erzählung gehört inzwischen zu den Klassikern, wurde in 160 Sprachen übersetzt. Ein Dutzend Verfilmungen gab es bisher. Kurz vor Weihnachten erscheint der Prinz in neuen Kleidern, in einem neu ins Deutsche übertragenen und illustrierten Buch sowie im Kino als raffinierte Mischung moderner Animationstechnik mit nostalgisch gezeichneten und modellierten Tricksequenzen (Stop-Motion). Beide Projekte sind durchaus gelungen.

Regisseur Mark Osborne hat dem Film eine Rahmenhandlung gegeben, der die Kritik des Buches an der Konsumgesellschaft aktualisiert. Ein kleines Mädchen zieht mit ihrer alleinerziehenden Manager-Mutter in eine schicke Gegend in der Vorstadt. Die Häuser sehen bis auf das des Nachbarn gleich aus. Die Tochter soll eine Eliteschule besuchen, muss in den Ferien im Minutentakt nach einem präzisen Stundenplan lernen. Das durchkreuzt der Alte in dem skurrilen Häuschen nebenan. In seinem verwilderten Garten bastelt er an einem Doppeldecker. Er will wieder nach oben, in den Himmel. Doch die Schrauben des Propellers sind locker, das Ding durchschlägt die Mauer des Nachbarhauses, richtet gehörigen Schaden an. Zur Entschuldigung lässt der Alte einen Papierflieger zum lernenden Mädchen hinübergleiten. Sie entfaltet es: die erste Zeichnung von „Der kleine Prinz“. Aus ist es mit der Ordnung, nach anfänglichem Sträuben beginnt eine wunderbare Freundschaft.

Nach und nach erfährt das Mädchen die Geschichte des Besuchers vom fernen Asteroiden B 612: Der Prinz trifft einen notgelandeten Flieger in der Wüste, er bringt ihn mit fantastischen Geschichten und der Gabe des Wunderns zu tiefer Erkenntnis, er erzählt von der Liebe zu seiner Rose, der Freundschaft mit dem Fuchs, den Begegnungen mit machthungrigen, materialistischen, trunksüchtigen, eitlen, überarbeiteten Erwachsenen auf Nachbarplaneten. Auf Erden lernt er auch die unheimliche Schlange kennen.

Drang nach Action und Happy End

Die liebevoll kolorierten, wie von Hand gemachten Sequenzen des Films sind nah an den Originalzeichnungen des Buches, während die Rahmenhandlung in ihrer Perfektion, im übertriebenen Kindchenschema, selbst im zeitgeistigen gelegentlichen Drang nach Action vergleichsweise keimfrei wirkt. Vor allem im Happy End: Das Mädchen hebt mit dem alten Piloten ab, um den Prinzen zu retten. In der Synthese aber ergibt sich ein bezaubernder Film, der nie langweilt, vor allem nicht in stilleren Passagen.

Ein rundes Ding ist auch die Übersetzung, die der Autor Peter Sloterdijk für eine aktuelle Ausgabe dieses Klassikers verfertigt hat. Statt der Zeichnungen Saint-Exupérys, die so viele Millionen Herzen eroberten, gibt es hier Illustrationen von Nicolas Mahler, der für seine Übertragung großer Literatur in Comics geschätzt wird. Noch einfacher als jene im Original des „kleinen Prinzen“ sind diese Bilder, ebenfalls passend in ihrer scheinbar naiven, expressiven Art. Und der Text von Sloterdijk? Elegant im Stil und auch noch wahrhaft, in mancher Wendung schimmert das Denken durch. Wie also lautet hier das Geheimnis des Fuchses, der dem kleinen Prinzen auf Erden zum Freund wird, zum Ratgeber im Umgang mit geliebten Rosen? „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Im Nachwort erläutert Sloterdijk diesen „letzten Bildungsroman“, rechnet ihn kühn der Wirkungsgeschichte eines großen Philosophen zu: „In der Tat, wie sich die Ideen der Romantik zum Ursprung der Poesie aus Kindheit und Kindlichkeit in Nietzsches erzieherischen Visionen vollenden, so verdichten sich die Hinweise Nietzsches auf einen neuen, geschichtlich vorbildlosen Kindheitsadel in Saint-Exupérys poetischem Meisterwerk.“ Diese Behauptung klingt nach erneuter Lektüre des sprachlich wie bildsprachlich erneuerten Buches recht erwachsen. Der kleine Prinz aus einer anderen Welt redet einfacher. Spielerisch. Mit reinem Herzen.

Antoine de Saint-Exupéry: „Der kleine Prinz“. Deutsch von Peter Sloterdijk. Mit Illustrationen von Nicolas Mahler. Insel Verlag, Berlin 2015, 105 Seiten, € 16,50.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.