Filmschau: Auf in die dritte Dimension!

Nur wenige Filmemacher haben bisher versucht, die 3-D-Ästhetik kreativ zu nutzen oder weiterzuentwickeln. Einer davon: Tim Burton („Frankenweenie“).
Nur wenige Filmemacher haben bisher versucht, die 3-D-Ästhetik kreativ zu nutzen oder weiterzuentwickeln. Einer davon: Tim Burton („Frankenweenie“).(c) Filmarchiv Austria
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3-D im Film wurde oft als lukrative Beigabe eingesetzt, seltener als kreatives Gestaltungsmittel. Das Filmarchiv Austria zeigt Beispiele aus den 50er-Jahren bis heute.

Wenn man so will, war Franz Kafka einer der Wegbereiter des 3-D-Kinos. Er hatte das Kaiserpanorama besucht, jenen um 1900 beliebten Guckkasten, in dem stereoskopische Bilderserien im Kreis liefen und dabei den Eindruck der Räumlichkeit erweckten. Technologien, die Fotos plastisch wirken ließen, gab es schon lange vor der Erfindung des Kinos. Als die Bilder laufen lernten, reichte erst einmal die Bewegung, um Tiefe zu simulieren. Dabei hätte Kafka schon 1911 gern 3-D-Filme gesehen: „Warum gibt es keine Vereinigung von Kinema und Stereoskop in dieser Weise?“, notierte er in seinem Tagebuch.

Bis der erste abendfüllende 3-D-Spielfilm ein großes Publikum erreichte, dauerte es allerdings: 1947 erschien „Robinzon Kruzo“, eine sowjetische Produktion, in der die wilden Tiere der Insel dem Zuschauer scheinbar ins Gesicht sprangen. Ab da kamen 3-D-Filme als wellenartige Modeerscheinung immer wieder, sagt Stefan Drößler, Direktor des Filmmuseums München. Er hat mit dem Filmarchiv Austria eine Filmschau kreiert, die der Entwicklung des 3-D-Films ab den 50er-Jahren nachforscht.

Dabei sei die Technologie nie aus einer künstlerischen Notwendigkeit entstanden: „Es waren nicht die kreativen Filmemacher, die geschrien hätten, sie wären begrenzt in ihren Ausdrucksmitteln und brauchen das 3-D“, sagt Drößler. Stets sei es die Industrie gewesen, die technische Neuerungen im Kino durchsetzte. In den 50ern etwa, als Hollywood auf den 3-D-Zug aufsprang, machte das Fernsehen den Lichtspieltheatern gerade ernste Konkurrenz. Die Filmindustrie konterte mit dem Breitbildformat Cinemascope, Mehrkanalton und simulierter Plastizität, die den Zuschauer noch tiefer in die fantastischen Welten der Traumfabrik hineinziehen sollte: Das Filmarchiv zeigt etwa den Horrorklassiker „House of Wax“ (1953) und Alfred Hitchcocks einzigen 3-D-Film, „Dial M for Murder“ (1954), der auch schon das Ende des kurzen 3-D-Hypes einläutete. „It's a nine-day wonder, and I came in on the ninth day“, soll Hitchcock gesagt haben. Zu teuer und sperrig war die Technologie: Es gab für jedes Auge eine eigene Filmkopie, die Vorführer mussten penibel darauf achten, dass die beiden Projektoren synchron liefen. Jede Ungenauigkeit bereitete dem mit polarisierten Brillen ausgestatteten Publikum Kopfschmerzen.

Ab jetzt nur noch in 3-D?

Die digitale 3-D-Welle brachte enorme technische Fortschritte (das Bild ist nun heller, kontrastreicher, flimmert kaum noch), Blockbuster wie James Camerons „Avatar“ (2009) und die Ankündigung, dass es bald keine 2-D-Filme mehr geben würde – wovon natürlich längst keine Rede mehr ist. Wieder war es die Industrie, die die Welle ins Rollen brachte, sagt Drößler: „Die Filmindustrie wollte die Kinos digitalisieren, aber die sahen keine Notwendigkeit dazu. Also musste die Filmindustrie irgendetwas erfinden, was mit analogem Kino nicht möglich war.“

Heute werde die Technologie vorrangig deswegen eingesetzt, weil Kinobesucher gewillt sind, einen Aufschlag dafür zu zahlen, meint Drößler. Dabei könne 3-D, wenn es intelligent genutzt wird, einem Film durchaus etwas hinzufügen – „doch es gibt nur wenige Filmprojekte, die die 3-D-Ästhetik weiterentwickeln“. Eines davon sei der Konzertfilm „U2 3-D“, der überhaupt noch nie in zweidimensionaler Ausführung gezeigt wurde. Das konnten selbst Regisseure wie Wim Wenders nicht durchsetzen, den die spektakulären visuellen Experimente des U2-Films zu eigenen Versuchen inspirierten: Das Filmarchiv zeigt etwa sein Drama „Every Thing Will Be Fine“.

Aus dem Animationsfach sind u. a. Tim Burtons „Frankenweenie“ (2012) und Henry Sellicks „Coraline“ (2009) zu sehen: „Der spielt brillant mit Farben, Tönen und 3-D. Da gibt es Szenen, in denen sich der Hintergrund auflöst und die Figuren plötzlich im Nichts laufen. Selbst da entwickelt der Film eine erstaunliche Räumlichkeit“, sagt Drößler.

Räumlichkeit im Film wurde übrigens auch hierzulande entwickelt: 1951 eröffnete im Café Herrenhof das „erste Wiener Filmtheater für plastische Filme“. Stündlich lief dort der Film „Wien im Raumbild“, statt Brillen gab es spezielle Vorrichtungen, die am Kinosessel fixiert waren. Das Filmarchiv zeigt nun die restaurierten und ins moderne 3-D-System übertragenen Aufnahmen.

Filmschau „Raum Film Geschichte“. 19. 1.–16. 2., Metro Kinokulturhaus. Stefan Drößler referiert am 22. 1. über die Geschichte des 3-D-Films. filmarchiv.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2016)

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