10 Jahre Spongebob: Ein Schwamm als Superstar

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Das Kinderfernsehen feiert eine Kultfigur, die Merchandising-Millionen bringt und alle Altersschichten erreicht. Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs?

Gelb, saugstark, porös: Jede Folge aufs Neue werden fröhlich gröhlend diese vorzüglichen Eigenschaften des Schwammes im Ohrwurm-Titellied gepriesen. Ob sie wirklich helfen, seine anhaltende Popularität zu erklären, sei dahingestellt: Aber zum zehnten Geburtstag der Animationsserie „Spongebob Schwammkopf“ ist eine Erfolgsgeschichte zu bilanzieren, die den unerschütterlichen, oft vernunftwidrigen Optimismus ihres rechteckigen Titelhelden rechtfertigt.

Am 1.Mai 1999 lief die erste Spongebob-Folge beim US-Kindersender Nickelodeon, offiziell erfolgte der Serienstart aber erst am 17.Juli. Nach kurzer Anlaufphase wurde die Schwamm-Show ein Überraschungshit – und kommerzielles Zugpferd von Nickelodeon. Der Sender feiert mit seinen internationalen Filialen entsprechend: In den USA läuft übers Wochenende ein 50-Stunden-Marathon mit neuen Spongebob-Folgen, der deutsche „Nick“ veranstaltete eine Online-Suche nach dem Schwamm.

Spongebobs Siegeszug durch Markt und Medien war unaufhaltsam, ein gigantisches Merchandising-Imperium hängt an seinem kindlichen Konterfei: Bereits 2002 kalkulierte die Marketingabteilung einen Umsatz von einer halben Milliarde Dollar aus Spongebob-Produkten, da war der Gipfel der Popularität noch lange nicht erreicht. Das schwammige Angebot ist teils so absurd wie seine Serienwelt, seine Vielfalt verdeutlicht den Reiz der Figur für alle Altersgruppen: Es gibt Kinderkopfpolster, Ringe für Nabelpiercings, Herrenkrawatten, sogar einen Baukasten zur Adaption des Heimaquariums.

Dass sich auch Erwachsene für die maritimen Episoden begeistern würden, kam eigentlich unerwartet: Animierte Serienhits wie „Die Simpsons“ hatten in den Neunzigern das Generationengefälle überbrückt, dabei eine neue Mainstream-Norm geprägt – im Zeichentrick-TV dominierte fortan ironischer, anspielungsreicher Umgang mit Popkultur. Das spielt bei Spongebob kaum eine Rolle, abgesehen vielleicht von regelmäßigen Insiderwitzen für Meeresbiologen, die an die Ausbildung von Schwamm-Schöpfer Stephen Hillenburg erinnern.

Toleranz und tanzende Erdnuss

Für den Schwammspaß übertrug Hillenburg Ideen seiner schon sehr kultigen vorigen Serie „Rockos modernes Leben“ in eine unwiderstehlich bunte und angenehm absurde submarine Stadt namens Bikini Bottom. Was unweigerlich auch ans Nukleartestgelände Bikini-Atoll denken lässt – und eine Ahnung vermittelt, was Spongebob auf so unterschiedliche Arten attraktiv macht.

Die psychedelische Fröhlichkeit seines Unterwasseruniversums (samt Surf-Sounds und französischem Sprecher frei nach Jean-Jacques Cousteau) spricht nicht nur die kleine Zielgruppe an, erst recht die Reinheit seines kindlichen Wesens: Spongebobs unschuldige Naivität und ahnungslose Anarchie machen ihm zum Kinderfernsehen-Äquivalent von Voltaires „Candide“. (Sein unglückliches Pendant ist ebenfalls rechteckig: Was Bernd das Brot im deutschen Kinderkanal „Kika“ Nacht für Nacht im weißen Huis Clos eines leeren Studios erdulden muss, ließe Sartre nur wimmern. Auch der Bernd-Kult ist generationenübergreifend: Das Erfolgsgeheimnis könnte eine absolute Unfähigkeit zum Zynismus sein.)

Und Spongebobs infantile Abenteuerlust zeitigt zwiespältige Ergebnisse. Die Schizophrenie schwingt im Originaltitel „Spongebob Squarepants“ mit: „Square“ ist mit „bieder“ wie „eckig“ übersetzbar. Der Schwamm hat oft biedere Träume, doch eckt er immer wieder an. Auch in der Wirklichkeit: 2005 tanzte Spongebob in einem Musikvideo mit seinem Freund, dem rosa Seestern Patrick. Fundamentalisten protestierten: Förderung von Homosexualität! Fast so absurd wie in Bikini Bottom selber, wo der Schwamm seine (religiöse) Toleranz etwa durch „Verehrung der tanzenden Erdnuss“ belegt.

Spongebobs submarine Welt ist wie ein Zerrspiegel der unseren, bis in so hübsche Ideen wie seine miauende Hausschnecke Gary: Zu den charmanten Charakteren und der Verspieltheit (die amüsiert, dazu oft hinterrücks die offenbare Moral der Geschichte verkompliziert) kommt eine Ahnung für die Unbillen der – gar nicht so fernen – Realität. So führt Spongebobs Begeisterungsfähigkeit buchstäblich in Teufels Küche: Er findet Glück als Lohnknecht beim Fast-Food-Geizkragen Mr. Krabs. Ein mürrischer Kollege warnt: „Der Kunde bestellt das Essen, du machst es, und ich bringe es. Das tun wir 40 Jahre lang. Und dann sterben wir.“ Für den arglosen Schwamm klingt das wohl wie ein Versprechen: noch 30 Lenze lang lachen, möglichst enthemmt. Trost für Freunde der Depression: 2010 feiert erst einmal Bernd das Brot den zehnten Geburtstag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2009)

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