Hollywood im Spielerausch

Angry Birds - Der Film
Angry Birds - Der FilmSony Pictures
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Großproduktionen wie "Warcraft" könnten 2016 zum Schlüsseljahr für Videospieladaptionen machen. Bis dahin fliegen immerhin schon die "Angry Bird" durch die Kinos.

Kugelrunde, flugunfähige Vögel per Steinschleuder auf Schweinehochburgen schießen: Diese zweifellos vergnügliche Freizeitbeschäftigung infizierte die westliche Welt anno 2011 mit dem „Angry Birds“-Virus, einer Art sozialer Vogelgrippe mit kaum nennenswerter Inkubationszeit, übertragen per Smartphone-App, für deren Aggressivität mittlerweile Leiberln, eine Fernsehserie und Tonnen von weiteren Werbemitteln massig Belege liefern. Chef-Wutvogel Red wurde 2013 gar von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon zum Botschafter für den Klimawandel und grüne Themen ernannt, während ein brasilianischer Hare-Krishna-Anhänger die Vögel zur Grundlage seines „Angry Birds Yoga“ machte, mit dem Untertitel: „Wie Sie die grünen Schweine in Ihrem Leben loswerden.“

Der nun in die Kinos kommende Film zum Merchandise zum Spiel, recht prosaisch mit „Angry Birds – Der Film“ betitelt, verzichtet auf spirituelle Untertöne, selbst wenn der leicht in die Luft gehende Red ganz zeitgeistig zum Wutmanagement-Training verdonnert wird. Aber als sich der Rest der Vogelinsel von den gemeinen Grünschweinen und ihren massenhaften Geschenken einlullen lässt, liegt es an Red und seinen gleicherweise schrägen Kumpels, die Schwarteninvasion einzudämmen.

Das „Angry Birds“-Leinwandabenteuer steuert mit Fließband-Gags und cartoonhaften Charakteren vorwiegend die Kinderzielgruppe an, selbst wenn man einigen Kreaturen und ihren schrulligen Verhaltensweisen eine ästhetische Nähe zum handgekneteten, seelenvollen Universum der Aardman-Studios (bekannt für „Wallace & Gromit“) nicht absprechen kann. Aber wie viel Kreativschmalz kann schon gewonnen werden aus dieser Cashcow der Smartphone-Spiele mit einfachem Konzept und nichtiger Handlung?

Das sollte bei „Ratchet & Clank“ (seit letzter Woche im Kino) etwas besser funktionieren, immerhin erzählt das beliebte Hüpfspiel mit Science-Fiction-Elementen eine zusammenhängende Geschichte. Die Leinwandadaption des Playstation-Dauerbrenners enttäuscht allerdings mit abgenudelten Schmähs, steriler Optik und ausgesprochen flachen Handlungsbögen: Damit ist gleich ein Grundproblem umrissen, das seit dem ersten offiziell auf einem Videospiel basierenden Film „Super Mario Bros.“ (1993) so gut wie alle Subgenrevertreter betrifft, nämlich dass sich das Erleben eines Videospiels – zum Glück – bei Weitem nicht nur auf das Abgrasen einer Narration stützt, sondern auf das selbstständige Entscheiden und Handeln darin, mitunter eine Essenz der Kunstform.

Fällt diese weg, was sie bei einem Film selbstverständlich muss, dann bleiben nur mehr Storygerüst, Weltendesign und Charakterentwurf übrig. Das führt nicht selten zu inhaltlich ausgedünnten Filmen. Auf wenige kommerziell erfolgreiche Adaptionen, etwa die „Tomb Raider“- und „Resident Evil“-Reihen, kommt eine fast schon unüberschaubar hohe Anzahl an Billigproduktionen etwa aus der Fließbandfabrik von Uwe Boll („BloodRayne“, „Far Cry“) nebst Großbudget-Gurken wie „Prince of Persia: Sands of Time“.


Gamer ins Kino locken. 2016 schickt sich allerdings an, in mehrfacher Hinsicht zum Scheitelpunkt des fragilen, wiewohl potenziell äußerst lukrativen Verhältnisses zwischen Videospiel- und Filmindustrie zu werden, denn gleich zwei Produktionen wollen und müssen zeigen, dass die gewaltige Zielgruppe der Gamer ins Kino zu locken ist. Noch im Mai startet mit „Warcraft: The Beginning“ ein Schlachtross in die traditionell von budgetstarken Kapazundern dominierte Sommerkinosaison: Unter der Regie von Indie-Liebling Duncan Jones könnte sich der mit Digitaleffekten vollgestopfte Leinwanddonner zu einem „Game Changer“ verwandeln; soll heißen: Fährt der „Warcraft“-Film, der auf dem Massenphänomen „World of Warcraft“ basiert, gute Zahlen ein, dann ist es mehr als denkbar, dass wir in den kommenden Jahren einen ähnlichen popkulturellen Dammbruch erleben wie dereinst nach Sam Raimis erstem „Spider-Man“, der die Ära des neuzeitlichen Superheldenfilms eingeläutet hat. Denn längst haben sich die großen Studios die Rechte an wesentlichen Marken der Gaming-Welt gesichert und aus ihrer Sicht vielversprechende Projekte aufgesetzt, darunter „Ghost Recon“ (mit Michael Bay im Regiestuhl), eine Neufassung von „Tomb Raider“ und der Schleichspielklassiker „Metal Gear Solid“.

Ebenfalls noch in diesem Jahr, allerdings erst im Dezember, erscheint mit „Assassin's Creed“ die Kinofassung des gleichnamigen Videospielwelterfolgs: Produzent Michael Fassbender schlüpft in die Rolle des titelgebenden Assassinen, der quer durch die Menschheitsgeschichte hindurch gegen den Templerorden kämpft. Die Giganten der Videospielindustrie sind bereits ins lukrative Querverwertungsgeschäft eingestiegen: Ubisoft Motion Pictures hat neben „Assassin's Creed“ gleich sechs weitere auf hauseigenen Games basierende Projekte in Entwicklung, und auch der zweitgrößte Videospielkonzern der Welt, Activision Blizzard, hat im November 2015 ein eigenes Filmstudio gegründet.

„Angry Birds“-Entwickler Rovio soll 100 Millionen US-Dollar in sein erstes Kinoprojekt investiert haben, was das Werk mit deutlichem Abstand zur teuersten finnischen Filmproduktion aller Zeiten macht: Der vorige Platzhalter kostete vergleichsweise bescheidene 8,5 Millionen. Dessen Titel mutet da fast schon ironisch an: „Big Game“.

Aus Spiel wird Film

„Super Mario Bros.“ (1993): Die Verfilmung des kultigen Nintendo-Hüpfspiels wurde von Kritikern zerrissen und vom Publikum gehasst. Hauptdarsteller John Leguizamo: „Das Schlechteste, das ich jemals gemacht habe!“

„Mortal Kombat“ (1995): Der spätere „Resident Evil“-Regisseur Paul W. S. Anderson inszenierte den Prügelspielklassiker für die Leinwand visuell überzeugend und mit knalligem Eurodance-Soundtrack.

„Lara Croft: Tomb Raider“ (2001): Die Rolle der vollbusigen Schatzjägerin Lara Croft war für Angelina Jolie Segen und Fluch zugleich. Das Action-Abenteuer wurde zum Publikumshit, eine Fortsetzung folgte.

„Resident Evil“ (2002): Aus dem Survival-Schocker-Game wird knallige Fantasy-Action. Hauptdarstellerin Milla Jovovich lässt Bubenherzen höherschlagen, 2017 soll die fünfte und letzte Fortsetzung ins Kino kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2016)

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