"X-Men: Apocalypse": Der Weltuntergang unterhält immer noch gut

X-Men: Apocalypse
X-Men: Apocalypse(c) Centfox
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In „X-Men: Apocalypse“ kämpfen Superhelden gegen einen Bösewicht namens Apokalypse. Im Zentrum steht aber erneut ein ideologischer Konflikt. Bryan Singers bildgewaltige Comicverfilmung nimmt Bezug auf reale politische Ereignisse.

Ein wenig hofft man als Kinozuseher dann doch immer, dass der in US-Filmen ständig drohende Weltuntergang irgendwann tatsächlich eintritt – und das Heer der Superhelden, die Hollywood derzeit fest im Griff haben, hinwegfegt. Aber nach der Apokalypse kommt auch nichts Neues, das wissen wir spätestens seit den Filmen von Regisseur Roland Emmerich („2012“, „Independence Day“). Im neuen „X-Men“-Film mit dem Untertitel „Apocalypse“ ist die Apokalypse nicht drohendes Zukunftsszenario, sondern eine Figur: En Sabah Nur oder eben Apocalypse nennt er sich.

Er ist Mutant, wie fast alle der Protagonisten in dem Comicfilm. Das heißt, sie haben Superkräfte dank eines besonderen Gencodes. En Sabah Nur ist der erste dieser in gewisser Hinsicht weiterentwickelten Menschen – ein Urmutant. Im alten Ägypten lässt er sich anbeten wie ein Gott. Das zeigen opulente Bilder, die an Monumentalfilme der Sechziger erinnern, eindrucksvoll zu Beginn des Films. In einer Pyramide will der alternde Gottkönig seinen Geist in den jungen Körper eines Mutanten übertragen lassen. En Sabah Nur ist nicht nur ein Parasit, er erhält auch die Kräfte seines „Wirts“ und wird so mit jedem Körpertausch mächtiger. Doch seine Untergebenen erheben sich, bringen die Pyramide zum Einsturz, die den Herrscher unter sich begräbt. Was für ein Zerstörungsspektakel. Noch dazu in 3-D. Erst tausende Jahre später, genau genommen 1983, taucht er wieder auf. Mit Blick auf das moderne Kairo beschließt er, die Welt zu zerstören. Dagegen wehren sich die X-Men rund um Charles Xavier (James McAvoy).

Einfacher Plot, viele Figuren

Bryan Singers Film, der auf den Comics von Stan Lee und Jack Kirby basiert, liegt also ein simpler Gut-gegen-Böse-Plot zugrunde. In den beiden Vorgängern „X-Men: Erste Entscheidung“ (2011) und „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ (2014) war die Handlung – samt Zeitreisen – komplexer. Dass die Story so durchschaubar bleibt, ist praktisch, denn das Figurenensemble wächst mit jedem weiteren Film an.

Im Mittelpunkt stehen immer noch die beiden Männer, die ein ideologischer Konflikt trennt: Auf der einen Seite Charles Xavier, auch Professor X genannt, mit seinem unerschütterlichen Optimismus. Er glaubt daran, dass Menschen und Mutanten (für die er auch eine Schule betreibt) in Frieden und Harmonie miteinander leben können. Selbst wenn die Superhelden von den Menschen als Bedrohung wahrgenommen werden. Eine andere Position vertritt Erik Lehnsherr alias Magneto (Michael Fassbender), die komplexeste Figur der Comicfilmreihe. An das Gute im Menschen zu glauben, damit tut sich der Holocaust-Überlebende schwer. Er sieht im friedlichen Nebeneinander am ehesten eine Lösung. Die Debatte lässt sich als Allegorie auf die Bürgerrechtsbewegung verstehen, wenn auch nur als angedeutete. Deutlichere Anspielungen wären angesichts des Mangels an afroamerikanischen Figuren auch unangebracht.

Lehnsherr durchlebt in „X-Men: Apocalypse“ zudem eine Glaubenskrise, als das fragile Familienidyll, das er sich in der alten Heimat Polen aufgebaut hat, zerstört wird. Ist er nicht fähig, ein normales Leben zu führen? Ist er doch nur das, wozu ihn die Nazis in ihren Experimenten gemacht haben: eine Waffe? „Ist es das, was ich bin?“, fragt er gen Himmel. Später macht er das NS-Konzentrationslager Auschwitz dem Erdboden gleich – seine Traumata heilt er dadurch aber nicht. Diese Szene könnte ins Geschmacklose abgleiten, aber Fassbender gelingt es, die Zerrissenheit der Figur glaubhaft darzustellen.

Kuba-Krise, Nixon und nun Reagan

Ähnlich ambivalent ist Oscar-Preisträgerin Jennifer Lawrence als Gestaltenwandlerin Mystique, allerdings fehlt ihr im Film Entfaltungsmöglichkeit. Zu den Hauptfiguren – darunter erneut Nicholas Hoult als seine Fähigkeiten unterdrückender Hank McCoy und Rose Byrne als CIA-Agentin Moira Mactaggert – stößt eine neue Generation von Mutanten. „Game of Thrones“-Star Sophie Turner spielt die sensible Telepathin Jean Grey, der australische Jungstar Kodi Smit-McPhee einen blauhäutigen Jugendlichen mit der Fähigkeit zur Teleportation und Tye Sheridan einen Schüler mit Laseraugen. Den wohl besten Auftritt hat (wie im Vorgängerfilm) aber Evan Peters als Quicksilver: In einer Slow-Motion-Actionsequenz zum Eurythmics-Song „Sweet Dreams“ bringt er quasi im Alleingang Humor in den sonst eher düsteren Film, der auch diesmal wieder Bezug auf reale politische Ereignisse nimmt.

„Erste Entscheidung“ spielte zur Zeit der Kuba-Krise 1962, der zweite Teil, „Zukunft ist Vergangenheit“, 1973, in der Ära Nixon, am Ende des Vietnam-Kriegs. Historischer Hintergrund von „Apocalypse“, der 1983 spielt, ist das Wettrüsten zwischen USA und Sowjetunion unter US-Präsident Ronald Reagan. „Waffen“ und „Supermächte“ sind auch die ersten Worte des Erzbösewichts En Sabah Nur (solide Leistung von Charakterdarsteller Oscar Isaac), nachdem er wieder erwacht. Auch diese Großmächte will er zerstören. So unterhaltsam dieser Blockbuster ist, eine Frage drängt sich auf: Warum gibt es im aktuellen US-Kino derart viel Zerstörung zu sehen? Vielleicht liegt es auch an der Lust auf etwas Neues? Wer will schon ständig dasselbe sehen und hören? Selbst wenn es die Geschichten von Superhelden sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)

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