Mit Kruzifixen gegen Poltergeister

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Neu im Kino. Geisterbahn mit christlichen Motiven: James Wan, führender Horror-Regisseur Hollywoods, hat eine Fortsetzung von "The Conjuring" gedreht. In Spätsiebziger-Ästhetik.

Brasilianische Pflegerinnen schreien sich die Seele aus dem Leib: Ein im Internet kursierendes Versteckte-Kamera-Video fängt ein, wie sie in einem Zimmer mit Dutzenden Kruzifixen an den Wänden von ihrer offensichtlich besessenen Patientin drangsaliert werden. Ein sehr amüsanter Marketingschmäh, der den Horrorfilm „The Conjuring 2“ bewirbt – und auch aufzeigt, wie es in dessen Innerem aussieht: Die Fortsetzung ist wie das Original ein filmischer Springteufel, eine hundsgemeine Vorrichtung, die mit unheimlicher Perfektion die Nervenfäden der Zuschauer bis zum Zerreißen spannt.

Der australische Regisseur James Wan hat schon in seinem weltweit aufsehenerregenden Debüt „Saw“ (2004, in Ko-Regie mit Leigh Whannell) den Schrecken als perfide Maschine inszeniert: Die Folter- und Mordapparaturen des Serienmörders Jigsaw sind schmerzhafte Erlebniswelten für die Charaktere, für das Publikum bieten sie einen Ausflug in den Höllenprater.

Auch „The Conjuring 2“ wirkt jetzt wie ein Spukhaus im Vergnügungspark: Über zwei Stunden lang wird man von einem Schockraum in den nächsten geschoben. James Wan, der innerhalb eines Jahrzehnts zum führenden Horror-Regisseur Hollywoods wurde, versteht es für gewöhnlich sehr gut, das mechanische Uhrwerk seiner Apparaturen im Hintergrund zu halten: Aus diesem Grund hat er sich einen Stall von kreativen Mitstreitern eingerichtet, darunter Schnittmeister Kirk M. Mori und Filmmusik-Komponist Joseph Bishara. Im Fall von „The Conjuring“ entstand so ein eleganter und ungemein effektiver Horror-Thriller, der klassische Horror-Topoi von Besessenheit und Geistererscheinungen modernisiert und in eine packende Familiengeschichte eingepasst hat.

Mit der Bibel durch die USA

In der Fortsetzung, die wie das Original behauptet, „auf wahren Ereignissen“ zu basieren, geht die Schauerteigbackmischung deutlich weniger überzeugend auf. Erneut stehen Ed und Lorraine Warren im Zentrum: Das fromme Katholikenpaar reist mit Bibel und festem Glauben durch die USA, um von Geistern und Dämonen geplagten Menschen zu helfen. In „The Conjuring 2“ wird der äußerste Norden Londons zu ihrer Wirkstätte: Die alleinerziehende Mutter Peggy Hodgson (Frances O'Connor) und ihre vier Kinder werden Ende der Siebzigerjahre von einem Poltergeist heimgesucht. Zeitgenössische Medienberichte zeigen zwei Polizisten, die angeben, dass sich bei ihrem Einsatz im Haus ein Stuhl wie von Geisterhand durch den Raum bewegt hätte.

Es folgt massive Hysterie in ganz Großbritannien: Die BBC produziert Sondersendungen zum Enfield-Poltergeist, die Hodgsons werden von Medienvertretern belagert, ein jeder wittert die ganz große Story. Schon früh mehren sich Gerüchte, die vermuteten übernatürlichen Ereignisse könnten von den zwei Teenager-Töchtern Janet (herausragend: Madison Wolfe) und Margaret (Lauren Esposito) inszeniert worden sein. Die Warrens (wie im ersten Film: Patrick Wilson und Vera Farmiga) sollen daher im Auftrag der Kirche feststellen, wie viel Paranormales wirklich im Spiel ist – und finden sich in einem ihrer diabolischsten Fälle wieder. An ihren Talenten hinsichtlich Dämonenkommunikation und Geistesaustreibung lässt James Wan keine Zweifel: Er zeigt das Ehepaar als christliche Soldaten im Kampf gegen das Böse. Ihre Gesinnung wird in keinem Moment auf- oder angegriffen: Sie glauben an Dämonen genauso, wie sie an Gott glauben.

So reiht sich „The Conjuring 2“, entworfen in Spätsiebziger-Ästhetik, in die Riege der christlich getränkten Schauerfilme jener Ära ein: Auch in William Friedkins „Der Exorzist“ (1973) und Richard Donners „Das Omen“ (1976) hält nur der Gläubige die nötigen Waffen in den Händen, um dem Teufel Einhalt zu gebieten. Dieser zeigt sich in „The Conjuring 2“ jedenfalls ziemlich erfindungsreich: Ein buckliger Mann entsteigt dem Zoetrop im Kinderzimmer und wandert durch die Flure, eine Nonne mit blutverschmiertem Mund sucht neue Opfer (und bekommt bald ihren eigenen Film), und im Zimmer der besessenen Janet stellen sich sämtliche Kruzifixe auf den Kopf. In diesem Moment schreien die brasilianischen Pflegerinnen besonders laut in die versteckte Kamera, und irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass „The Conjuring 2“ als Geisterbahn im Prater besser funktioniert hätte als im Kino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2016)

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