"Die verborgene Stadt": Rabenschwarzes Hörspiel

Die verborgene Stadt
Die verborgene Stadt(c) Navigatorfilm (Tollerian)
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Der Film des belgischen Regisseurs Luk Perceval, "Die verborgene Stadt", ist düster geraten, offenbar, um die Ereignisse unter der heurigen Kulturhauptstadt Europas im Dritten Reich plastisch nachvollziehbar zu machen.

Im Dunkeln mussten die Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge aus Mauthausen im II. Weltkrieg in Linz die Stollen erweitern, die dem Schutz der Bevölkerung dienen sollten. Auch der Film des belgischen Regisseurs Luk Perceval, „Die verborgene Stadt“, ist düster geraten, offenbar, um die Ereignisse unter der heurigen Kulturhauptstadt Europas im Dritten Reich plastisch nachvollziehbar zu machen. Die Idee ist gut, geht aber nicht wirklich auf. Der Zuschauer tappt im Dunkeln. Der Film ist faktisch ein Hörspiel. Als solches erschüttert er genug. Dramaturgin Margit Niederhuber fand die Zeitzeugen, die höchst lebendige, spontan wirkende Erzählungen liefern. Der Schauspieler Felix Römer wandert von einem zum anderen und hört sich die Geschichten und die Geschichte an.

14 Kilometer umfasst das Stollensystem, durch das es heute nur Führungen auf Anfrage gibt. Der Beginn des Films wirkt etwas beliebig: „Die Wiederkehr des Verdrängten ist einfach unaufhaltsam.“ Wie oft hat man das schon gehört? Dann aber kommen die Menschen zu Wort. Gemächlich fädelt sich ein Interview an das andere – und gähnende Abgründe tun sich auf zwischen Wissenden und Nichtwissenden. Die Wissenden sind meist Nachgeborene. Heute führt durch einen Teil der Stollen eine Märchengrottenbahn – und Märchen, so hat man den Eindruck, werden hier auch gelegentlich aufgetischt, wenn es um den schmalen Grat von Ahnen und Verdrängen geht.

In Dreierschichten mussten die Häftlinge arbeiten, wer nicht mehr konnte, wurde gleich an Ort und Stelle erschlagen. Kantig, nüchtern, ja sogar ironisch blicken ehemalige Mauthausen-Häftlinge auf das unvorstellbare Grauen zurück. Nein, wenn sie sich treffen, sprechen sie nicht viel über das Erlittene, sagt einer. Ein anderer: Als ich im KZ war, habe ich Gott abgeschworen, als ich befreit wurde, habe ich wieder an ihn geglaubt. Gott? Gibt es nicht. Wie könnte er so etwas zulassen? So meint ein Dritter.

Heute befindet sich über einem Teil der Stollen der Botanische Garten. Es ist sozusagen Gras über die Sache gewachsen, meint der Schauspieler. Mit Maßen. Manche können der schrecklichen Zeit immer noch Gutes abgewinnen, berichtet ein Gesprächspartner – und fügt hinzu, die sollen einfach das Maul halten, weil sie nichts wissen. Das Archivmaterial, vermutlich mit Fotos von der Sklavenarbeit in den Stollen, wird bis heute unter Verschluss gehalten, heißt es.

Mit Psychologen, Historikern, Theologen und dem ehemaligen Voest-Betriebsrat hat Römer gesprochen. Die Medienkünstlerin Valie Export war als Kind in den Stollen, während die Bomben fielen. Sie flüchtet am Ende von dem entsetzlichen Ort ins Freie, froh, wieder ans Tageslicht zu kommen.

DIE VERBORGENE STADT

Dokumentarfilm von Luk Perceval mit Valie Export, Franz Ruhaltinger (früher Voest-Betriebsrat), Anton Tölk (Psychologe) u.v.a.: bis 20.8., 21h, Ort: Spielplatz Limonistollen, Roseggerstraße – Ecke Limonigasse 8, Linz; ab September: DVD bei Navigatorfilm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2009)

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