„Maggies Plan“: Amor für die hippen Intellektuellen

Maggies Plan
Maggies Plan(c) Thimfilm
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In Rebecca Millers moderner Screwball-Komödie „Maggies Plan“ will eine New Yorkerin ihr Schicksal – und auch gleich das Schicksal anderer – selbst in die Hand nehmen.

Wenn es etwas gibt im Leben, das wirklich unkalkulierbar ist, dann ist das wohl die Liebe: Nicht umsonst heißt es im Englischen „to fall in love“, als wäre es etwas, in das man hineinstolpert, in das man fällt wie in ein Loch unbekannter Tiefe und unbekannten Ausgangs – und wer fällt schon absichtlich in so etwas hinein? Nun entspricht es aber nicht unbedingt dem Zeitgeist, etwas so die eigene Zukunft Bestimmendes wie romantische Beziehungen dem Zufall zu überlassen: Heute ist Selbstoptimierung angesagt, man spricht von Familienplanung und Lebensentwürfen, und alles, was wir tun, muss bewusst geschehen – ob wir nun Gemüse kaufen oder Musik hören. Und die Liebe sollen wir dann einfach passieren lassen?

Maggie, die von Greta Gerwig gespielte Protagonistin in Rebecca Millers „Maggies Plan“, will sich damit nicht abfinden. Zumal sie – eine hippe New Yorker Akademikerin, die beruflich jungen Kunstabsolventen ihrer Uni bei der Karriereplanung (!) hilft – aus Erfahrung weiß, dass ihre Beziehungen kaum von Bestand sind. „Do you think I have a condition where I always fall out of love?“, fragt sie ihren besten Freund bei einem Spaziergang. Ihrem Kinderwunsch soll das nicht abträglich sein: Gut, dass sich Mutterschaft planen lässt, und das notfalls auch ohne Partner. Einen Samenspender hat sie schon gefunden, einen ehemaligen Studienkollegen, der nun als öko-nerdiger Essiggurkerl-Unternehmer reüssieren will, und auch der Termin der Selbstbefruchtung steht fest.

Nun macht Maggie allein das Genre des Films einen Strich durch ihre sorgsam kalkulierte Lebensrechnung: „Maggies Plan“ ist eine moderne Screwball-Komödie mit einem Extradreh, und das Unkalkulierbare kommt in Form eines verheirateten Mannes namens John (Ethan Hawke) ins Spiel: Er ist Dozent für ein Orchideenfach namens „fiktokritische Anthropologie“, er lässt Maggie das erste Kapitel seines Romans lesen – und er klingelt ausgerechnet dann unvermutet an Maggies Tür, als sie gerade mit Pipette, Fruchtbarkeits-Apps und einem Behälter mit noch warmer Samenprobe in der Badewanne liegt, bereit für die eigenhändige Empfängnis.

Kann man eine Affäre retournieren?

Wann genau aus ihrer Affäre eine Beziehung wurde, zeigt der Film nicht. Drei Jahre später leben die beiden jedenfalls zusammen, sind Eltern einer Tochter, und Maggie beginnt zu grübeln, ob die Affäre nicht besser eine solche geblieben wäre: John, ein liebenswerter, wenn auch zerstreuter und unverlässlicher Mann, scheint Maggies Mühen (sie ist die Ernährerin wie auch die Erzieherin in der Familie) nicht wertzuschätzen und telefoniert stundenlang mit seiner Exfrau (Julianne Moore), die noch immer an ihm hängt. Maggie hat eine Idee: Könnte sie nicht alle Probleme auf einmal lösen, wenn sie die beiden wieder zusammenbringt?

Miller, die Tochter des amerikanischen Dramatikers Arthur Miller, zeichnet in „Maggies Plan“ ein ironisch-überzeichnetes Bild moderner New Yorker Intellektueller (und allesamt Egozentriker), das an Werke von Woody Allen wie auch Lena Dunham erinnert und auf einer wahren Begebenheit beruht. Der Film hält sich nicht lange mit den Details der romantischen Verworrenheiten auf und widmet sich stattdessen der präzisen Darstellung der Hauptcharaktere: Maggie ist ein Freigeist, der ein moralisch einwandfreies und ehrliches Leben führen will, eine direkte, effiziente, dabei immer etwas naiv wirkende Pragmatikerin. Greta Gerwig spielt sie wunderbar natürlich und ungekünstelt, und sie gibt der Figur – das ist angesichts ihres Kontrollzwangs das Erstaunlichste – etwas Ungezwungenes. Gerwig gilt (zu Recht!) als Publikums- und Kritikerliebling des Indiekinos, auch in diesem Film enttäuscht sie nicht.

Johns Exfrau, Georgette, ist hingegen eine durchwegs humorlose, überreizte Uni-Professorin: Moore hatte sichtlich Spaß dabei, die steife Aufsteigerin mit dem dänischen Akzent zu spielen, sie überschreitet mit Eleganz die Grenze zur Karikatur und lässt doch charakterliche Tiefe durchscheinen. Auffallend sind vor allem ihre textilen Vorlieben: Ständig ist sie mit irgendwelchen felligen Fetzen bekleidet – ein gewollter Kontrast zu Maggies Garderobe, die mit ihren bunten Strumpfhosen und Retro-Strickwesten in einem Brooklyner Hipster-Café kaum auffallen würde.

Doch zeichnet sich die spritzig-leichte Komödie nicht nur durch ihre neurotischen Charaktere und das hippe Ambiente aus. Erfrischend ist vor allem, wie der Film den Figuren ohne Belehrungsversuche Raum zur Entwicklung gibt und über ihr Verhalten – auch über Maggies nicht ganz selbstlose Bemühungen als Amor – nie urteilt. Und er schlittert nie dorthin, wo ihr Leben mit zu viel Planung hineingeraten könnte: in die Vorhersehbarkeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2016)

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