"Der Weg nach Mekka": Die Demokratie im Koran

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"Presse"-Premiere "Der Weg nach Mekka - Die Reise des Muhammad": Georg Mischs faszinierendes Porträt eines bedeutenden islamischen Denkers aus Österreich.

Der Platz vor dem Haupteingang der Wiener UNO-City ist im April 2008 nach Muhammad Asad benannt worden – es ist der erste in Wien, der den Namen eines Muslims trägt. Samt prompten Protesten der FPÖ gegen diese „Provokation“ rief das den Namen dieses bedeutenden islamischen Denkers in Erinnerung. Nun vertieft der gelungene Dokumentarfilm Der Weg nach Mekka – Die Reise des Muhammad Asad vom Österreicher Georg Misch das Bild dieses faszinierenden Grenzgängers zwischen den Welten.

Denn geboren wurde Asad 1900 als Aschkenasim Leopold Weiss, Enkel eines Rabbiners, im damals zur k. u. k. Monarchie gehörigen Lemberg (heute Ukraine): Er wuchs teilweise in Wien auf, wurde streng religiös erzogen, wandte sich aber zunehmend vom jüdischen Glauben ab und dem Islam zu, fasziniert von seinen Begegnungen mit Beduinen auf Palästina-Reisen. 1926 konvertierte Weiss zum muslimischen Glauben und nahm den Namen Muhammad Asad an: „Als ich 13 war, glaubte ich, die Muslime seien Barbaren“, wird er in Mischs Film zitiert, „aber später erkannte ich den Irrtum.“

Bis ins Grab von Engstirnigkeit verfolgt

Asads Ansatz fasziniert gerade in Zeiten rascher Vorurteile: „Der Koran umfasst alle Grundzüge der Demokratie.“ Politisch wie spirituell folgte er seinem Weg der Mitte, setzte sich für den Dialog mit dem Westen und progressive Ideale ein: Als persönlicher Freund des Gründers des Königreichs Saudiarabien wurde Asad einer von dessen Beratern, er studierte die religiösen Schriften und pilgerte mehrfach auf dem Dromedar durch die Wüste nach Mekka. Die letzte dieser Reisen (1932) verarbeitete er zum autobiografischen Bestseller „Der Weg nach Mekka“ (1954). Asads Magnum opus wurde dann eine in 17-jähriger Arbeit erstellte englische Koranübersetzung, die von einer Reihe Experten als die beste erachtet wird.

Mit einem simplen Vergleich demonstriert Misch eingängig, wie Asad zur Schlüsselfigur einer aufgeschlossenen, reformorientierten Denkschule im Islam wurde – eine oft als „Männer herrschen über die Frauen“ übersetzte Zeile lautet bei ihm „Männer sollen Frauen beschützen“. Als Mitbegründer Pakistans sorgte Asad auch für eine Verfassung, in der Mann und Frau gleichberechtigt waren, er ging auch als erster Botschafter des Landes zu den Vereinigten Nationen, wurde aber von diplomatischen Intrigen seiner Landsleute desillusioniert.

Schließlich verließ er enttäuscht eine islamische Welt, die zunehmend von Fundamentalismus und Extremismus geprägt wurde. Mischs Film findet an Asads Grab im andalusischen Exil ein bezeichnendes Bild: Da streiten Friedhofsgärtner und Imam, ob die Ruhestätte den Regeln entspreche – die Engstirnigkeit verfolgt den Verfechter der Verständigung über den Tod hinaus. Dagegen ist Mischs Methode angemessen dialektisch und denkfreudig (bis in die aus Asads Schriften übernommene Widmung), dabei auch sehr unterhaltsam: Einerseits folgt der Film als Roadmovie Asads Stationen, offenbart dabei stückweise dessen spannende Geschichte, andererseits macht er dessen Interesse am (offenen) Dialog zum Strukturprinzip. Immer wieder kommen gegensätzliche Stimmen zu Wort, teils in direkter Debatte, was oft für Überraschungen sorgt.

Die hervorragende Kameraarbeit von Joerg Burger tut ein Übriges, um den Szenen atmosphärischen Reichtum fern der flachen „Talking Heads“-Fernsehästhetik zu geben, während Mischs typischer Sinn für Humor – in seinen vorigen Filmen manchmal zu verspielt – für ironische Brechungen sorgt. Reine Hagiografie würde auch nichts bringen, so viel wird klar: Der Weg nach Mekka kann Asad lebendig machen, weil seine Ideen es sind. Im Gegensatz zum Tod, den diejenigen bringen, die schnelle Feindbilder bedienen – und die gibt es, auch davon handelt der Film, im Westen genauso wie im Orient.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2009)

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