Wenn Eltern über das korrekte Müsli streiten

Wer hat uns nur so ruiniert
Wer hat uns nur so ruiniert(c) Juhani Zebra - THimfilm
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"Was hat uns bloß so ruiniert" über kinderkriegende Bobos tappt nicht in die Klischeefalle. Aber fast.

Es gibt Pressetexte, die weniger anpreisen als abschrecken. Der zu Marie Kreutzers neuem Film ist so einer. Die österreichische Regisseurin stürze „sechs mitteljunge, beruflich erfolgreiche Bobos amüsiert in eine neue Welt und in den Glaubenskrieg der Kindererziehung“, heißt es da. Und daraus soll ein Film werden? Einer, der nicht die üblichen Klischees bedient von all den Twens und Eben-nicht-mehr-Twens, die Freiheit mit der Möglichkeit verwechseln, Bioholunder einzukochen?

Der Bobo ist ja, was früher der Spießer war, ein Lach- und Hassobjekt, von dem man sich tunlichst abzugrenzen bemüht, obwohl (fast) jeder zwischen 20 und 40 selbst dazuzählt – und so wie der Spießer stets ungefragt darauf hinwies, dass der Gartenzwerg doch nur ironisch gemeint sei (man beachte doch das Messer in dessen Rücken!), so erklärt heute jeder Möchtegern-Nicht-Bobo, er nenne immerhin ein Auto sein eigen. Und außerdem esse er Fisch.

Drei Paare begleitet Marie Kreutzer also durch Schwangerschaft und die ersten Jahre: Da wäre Stella (Vicky Krieps), die Filmemacherin, deren Partner auch noch brav regelmäßig kocht, als das Kind schon auf der Welt ist. Ines (Pia Hierzegger), die das mit der Erziehung eher cool nimmt. Viel zu cool, findet der Kindesvater (Manuel Rubey), dem sie nach der Geburt eröffnet hat, dass sie ihn nicht liebe. Ines sei „Impfgegnerin aus Schleißigkeit“ schimpft er. Und dann ist da die Möchtegern-Französin Mignon (Pheline Roggan). Sie kann aus dem Stegreif Vorträge über die sozialen und ökologischen Folgen der Produktion und des Konsums von Reiswaffeln halten. Ihr Mann steht da eher hilflos daneben. Für die pädagogische Linie ist seine Frau zuständig: Er ist der Erfüllungsgehilfe.

Oder? In einer Szene, der schönsten des Filmes, steckt Luis (Andreas Kiendl) im klassischen Supermarkt-Dilemma fest: Töchterlein hat in einem unbeobachteten Moment das komplette Regal ausgeräumt, er erschrickt (Was werden die anderen sagen?) und schimpft, Tochter weint, er räumt fluchend das Regal ein, die Tochter weint stärker, und da lässt der Papa Regal Regal sein, setzt sich auf den Boden und tröstet sein Kind. Es sind solche Szenen, die uns zeigen, wie sich das gewandelt hat: unsere Art, mit Kindern umzugehen. Und der Film hat zum Glück einige davon.

Überflüssige Zuspitzung

Ganz ohne die übliche Häme kommt aber leider auch Marie Kreutzer nicht aus. Klar, das amüsiert: Wenn im Geburtsvorbereitungskurs das Leben mit einer Welle verglichen wird, die niemals ruht: „Gebt ihm eine Brise.“ Wenn sich eine Mutter beim Elternabend darüber erregt, dass die Kleinen zum Frühstück Rosinen serviert bekommen. Rosinen! Zucker! Gift! Im Nu ist die heftigste Diskussion im Gange, und als einer der Mütter so etwas wie „Mir wurscht“ auskommt, ist ein Vater vor den Kopf gestoßen: „Man ist entweder für Rosinen oder man ist gegen Rosinen“, ruft er. Aber doch nicht gleichgültig!

Das ist komisch, das mag auch so stattgefunden haben, Marie Kreutzer hat in Interviews immer wieder betont, wie vieles sie der Realität abgelauscht hat: Aber solche Zuspitzungen verhindern nur, dass wir uns tiefer auf die Figuren einlassen, dass wir nicht mehr nur Bobo im Kopf haben, wenn wir aus dem Kino gehen. Und das ist ein bisschen schade.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2016)

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