Film: Shakespeare, Tod und weiße Federn

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„Diese Nacht – Nuit de chien“, ein erlesenes, opernhaftes Spätwerk von Regisseur Werner Schroeter.

Als Klammer ein Zitat aus Shakespeares „Julius Cäsar“: „Von allen Wundern, die ich je gehört, scheint mir das größte, dass sich die Menschen fürchten; da sie doch sehen, der Tod, das Schicksal aller, kommt, wann er kommen soll.“

An Fatalismus mangelt es in Werner Schroeters erlesen komponiertem Alterswerk Nuit de chien nicht: Ein vager Bürgerkrieg tobt, ein Arzt und Widerstandskämpfer (Pascal Greggory) kehrt zurück in die Stadt Santa Maria, wo apokalyptische Zustände herrschen. Er sucht seine Geliebte, doch er findet nur Verstörung, Verzweiflung, Verrat. (Und ein bekanntes Ensemble: Bulle Ogier, Nathalie Delon, Sami Frey, Amira Casar und viele mehr.)

Lauf durch ein dunkles Labyrinth

Ein 1943 vom Argentinier Juan Carlos Onetti veröffentlichter Roman diente Schroeter als Vorlage, aber er hat sich den Stoff durch und durch angeeignet: Die Handlung hat Züge eines Genrefilms: Um jeden Preis will man auf das letzte Schiff im Hafen. Aber der Kunstkrimi ist sichtlich nur Gerüst für eine Serie exquisiter Tableaus, die eine intensive Stimmung existenzieller Erbitterung verströmen. Statt äußere Dramatik hält eine zutiefst persönliche Stilisierungskunst Nuit de chien zusammen, wie sie Schroeter, einer der faszinierendsten Einzelgänger des deutschen Kinos, auch bei Oper und Theater perfektioniert hat.

Der 1946 geborene Schroeter hat im Frühwerk das Erzählkino praktisch ignoriert, um in überbordenden, opernhaften Gesten zu schwelgen, nun lässt er Figuren durch ein desperates, dekadentes, dunkles Labyrinth laufen. Große Gefühle entladen sich in bestialischen, doch auch betörenden Bildern: Es gibt Folter, Massenerschießungen zu Mozart, anderswo sprengt sich ein Despot zu Rossinis „Stabat Mater“ in die Luft, es regnet weiße Federn um den samtroten Thron.

Gedreht hat der schwerkranke Schroeter den Film als Nachtstück: Das Gefühl des nahen Todes ist überwältigend, zutiefst bewegend auch in den statischen Zonen des Films. Der trotzdem erfüllt ist von einem Sinn für absurden Humor und einem wogenden Pathos: ein Wunder, Shakespeares nicht unwürdig. hub

Ab Freitag im Stadtkino Wien (OmU).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2009)

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