„Entführung der U-Bahn 1 2 3“: Braver Heimkehrer mit Milchpackerl

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Krisenstimmung für US-Helden: Tony Scotts Krimi-Remake „Die Entführung der U-Bahn 1 2 3“ bietet solide Spannung. In den Kinos.

„Diese Tunnels ändern sich nicht sehr, oder?“, sagt der Anführer der U-Bahn-Entführer (John Travolta). „Nur die Leute in ihnen“, erwidert der Unterhändler von den Verkehrsbetrieben (Denzel Washington).

Was Tony Scotts solides Spannungsstück The Taking of Pelham 1 2 3 aber vor allem demonstriert, ist, wie sich die Zeiten ändern – damit auch die Leute, und nicht zuletzt die Heldenbilder. Scotts Film ist ein Remake des gleichnamigen Krimiklassikers aus dem Jahr 1974. Abermals wird solide Spannung geboten, doch auffällig ist, wie wenig vom schön schäbigen, durch atmosphärische Außenaufnahmen betonten New-York-Flair des Originals übrig ist. Das war halt durch und durch ein Produkt einer Zeit, in der Filme auf Deutsch noch Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1 2 3 hießen. Bei der Neuverfilmung ist nicht nur die Übersetzung Die Entführung der U-Bahn 1 2 3 prosaisch, sogar der Regisseur nimmt sich einigermaßen zurück. Tony Scott ist umstritten wegen seiner hyperaktiven, postmodernen Inszenierungsweise und fast kubistischen Montage. Hier drückt er eigentlich nur im Vorspann gewohnt manisch auf die Tube: Da entwirft er im Vorüberfliegen eine Art post-postmodernes Stadtbild in psychedelischer Palette.

Ein frustrierter Profi lässt es krachen

Der Rest des Films ist im Kern ein Kammerspiel: Ein Gangsterquartett bringt einen U-Bahn-Zug in seine Gewalt, nimmt die Fahrgäste als Geiseln und erpresst zehn Mio. Dollar (1974 war es noch eine Million). Die Rätsel – etwa: Wie wollen die Entführer aus dem Tunnelsystem entkommen? – und Spannungsmomente funktionieren ähnlich, verzichtet wird nun aber auf viel Ensemblearbeit und jene Schauplätze, die dem Original Zeit- und Lokalkolorit gegeben haben.

Alles ist zugespitzt auf die (vor allem über Funk abgewickelte) Konfrontation zwischen Oberschurke und Fahrdienstleiter. Deren Gegenüberstellung betont erst das Gegensätzliche: Travoltas schnauzbärtiger Psychopath wird im Führerhaus der U-Bahn statisch gefilmt, fast wie auf Fahndungsfotos; Washingtons biederer Familienvater dagegen wird ruhelos von der Kamera umkreist, in der von Riesenmonitoren dominierten Verkehrszentrale. (Die allgegenwärtigen Bildschirme sind typisch für den technophilen Filmemacher Scott, aber auch schlicht das stärkste Zeichen eines Zeitenwandels.)

Doch offenbaren sich immer mehr Ähnlichkeiten der Kontrahenten (ganz abgesehen davon, dass die zwei Darsteller zusammen etwa einen Zentner zugelegt haben): Sie sind frustrierte und verurteilte Profis, erweisen sich sowohl als sympathisch wie korrupt – nur lässt es einer deshalb krachen, während der andere den Kopf einziehen will.

Die jetzt angeknackste Heldenmentalität sagt vielleicht mehr über die USA als andere unübersehbare Detailänderungen: Wo in der Watergate-Ära der Bürgermeister als Witzfigur gezeichnet wurde, spielt ihn nun James Gandolfini als Populist, der über ein Giuliani-gesäubertes New York herrscht, wo der 11. September nachhallt, die Börse Böses verheißt – und kein Platz mehr ist für die ultramännliche, sarkastische Standfestigkeit, mit der Walter Matthau 1974 als Verkehrspolizist bestach. Der zugeknöpfte Washington – ein idealer Kontrast zu Travoltas absurder Flamboyanz – ist Emblem eines Zeitalters der Zähmung. Selbst als er sich dem Kampf stellt, bleibt er ein Gewährsmann der neuen Ordnung, der sogar noch brav ein Milchpackerl mit heim bringt.

Und Scott verzichtet auf die visionären Regie-Exzesse seiner jüngsten Krisengebiet-Krimis: auch das wohl ein heimtückischer Kommentar zu New York – oder ein Geschenk an seinen Stammschauspieler Washington. Den ließ Scott zuletzt in Man On Fire ins Fegefeuer gehen, schickte ihn dann in Déjà vu in den Himmel. Diesmal entlässt er ihn ins Leben. Angesichts der Umstände nicht unbedingt ein Happy End. hub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2009)

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