Im flachen Tal der Tränen

Verborgene Schönheit
Verborgene Schönheit(c) Barry Wetcher (Barry Wetcher)
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Das weinerliche, komplett verkitschte Trauerdrama „Verborgene Schönheit“ verwechselt Kalenderweisheiten mit psychologischer Tiefe. Da hilft auch kein Starensemble.

Die Motivationsrede, die Howard (Will Smith) am Anfang des Films „Verborgene Schönheit“ (im Original: „Collateral Beauty“) vor seinen Mitarbeitern in der schicken Werbeagentur hält, ist in etwa so originell und bemüht inspirierend wie die folgenden knapp hundert Minuten – und sie gibt das vage Grundthema vor, in das der Film auch nicht mehr tiefer eindringen wird: Was ihr „Warum“ sei, also was sie antreibe, fragt Marketing-Guru Howard rhetorisch in die Runde, um dann über die erleuchtende Wirkung der Werbung zu reden und darüber, dass es im Leben letztendlich nur um drei zentrale Abstraktionen gehe, „die alle Menschen verbinden“: Liebe, Zeit und Tod.

Ein paar Jahre später hat Letzterer in seinem Leben herumgepfuscht und ihm seine geliebte kleine Tochter genommen. Howard ist nun ein verschlossener, einsamer Mann, der kaum ein Wort hervorpresst und seine Tage damit verbringt, in seinem Büro Dominosteine zu architektonischen Gebilden aufzustellen (und wieder einstürzen zu lassen), und mit dem Rad gegen die New Yorker Einbahnen zu fahren. Als einzige therapeutische Maßnahme schreibt er wütende Briefe an die Liebe, die Zeit und den Tod, von denen er sich im Stich gelassen fühlt. Als seine lähmende Trauer den Erfolg seiner Firma gefährdet, beschließen seine Freunde beziehungsweise Firmenpartner, ihn wieder ins aktive Leben zurückzuholen: Sie engagieren Schauspieler und lassen die drei Abstraktionen, denen er so verzweifelt schreibt, in personifizierter Gestalt über seinen Weg laufen.

Die Liebe ist „der Grund für alles“

Das passiert ganz offensichtlich weniger aus freundschaftlicher Fürsorge denn aus geschäftlichem Kalkül. Der Film präsentiert sich dennoch als besinnliches Heilungsmärchen: Dass auch in den hässlichen Momenten des Lebens eine Schönheit liegen kann, an der man festhalten muss; dass Gefühle ambivalent sind und zu einem erfüllten Dasein auch Schattenseiten gehören, soll wohl die Essenz sein (Naomie Harris als Leiterin einer Selbsthilfegruppe für trauernde Eltern darf in einer Szene den Filmtitel erklären). Leider fällt Regisseur David Frankel („Der Teufel trägt Prada“) und Drehbuchautor Allan Loeb nichts Besseres ein, als solch erbauliche Botschaften durch verkitschte Dramatik und pseudopsychologische Predigten auszudrücken: Ständig fallen Kalenderweisheiten wie „Nichts ist wirklich tot, wenn du es richtig betrachtest“ und „Ich bin der Grund für alles!“ (gesprochen von der Liebe höchstpersönlich), und das ganz ironiefrei.

Ein völlig überqualifiziertes Starensemble (darunter Kate Winslet, Keira Knightly, Edward Norton, Helen Mirren) wandert mit stets weinerlicher Miene durch vorweihnachtlich glitzernde Straßen (in den USA startete der Film immerhin passend im Dezember in den Kinos). Sie alle sind auf flache Attribute reduziert – es gibt die Frau mit Kinderwunsch, den Todkranken, den von seiner Familie Verstoßenen. Howard, vom Drehbuch ziemlich vernachlässigt, ist schlicht der Trauernde, ohne weitere psychologische Scharfzeichnung. Was wirklich in den Figuren vorgeht, daran scheint der Film kein Interesse zu haben. Viel zu beschäftigt ist er damit, Tiefe vorzutäuschen, indem er alle bekannten Knöpfe drückt, um seinem Publikum möglichst feuchte Augen zu machen. Das mag ihm sogar gelingen: Die Tränendrüsen fühlen sich gekitzelt. Nur fühlen tut man dabei leider nichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2017)

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