John Hurt, ein großer Erzähler mit Abgründen

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FILES-BRITAIN-CINEMA-HURT(c) APA/AFP (TIZIANA FABI)
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Die junge Generation kennt ihn als Zauberstabmacher aus „Harry Potter“. Doch der Brite John Hurt war ein bedeutender Charakterdarsteller. Nun starb er mit 77.

Mit neun Jahren stand John Hurt erstmals auf der Bühne. Eine seiner ersten Rollen war ein Mädchen in Maeterlincks vielschichtig symbolistischem Märchen „Der blaue Vogel“. „Ich hatte das Gefühl, am richtigen Ort und im Zentrum von mir zu sein. Ich war beglückt“, erinnerte sich der Schauspieler in einem Interview mit dem englischen „Guardian“. Fast sechs Jahrzehnte dauerte die Karriere des 1940 in Derbyshire geborenen Briten. Der Vater war Pfarrer, der Bruder wurde Mönch und Küchenchef in einem Kloster. Die Eltern waren von John Hurts Schauspielambitionen nicht begeistert, sie schickten ihn aber immerhin auf eine Kunstschule, damit er Maler werde.


Die feinsten Partner. Die Ausbildung brach er ab und bekam ein Stipendium an der Royal Academy of Dramatic Art. 1966 erhielt er eine Nebenrolle in Fred Zinnemanns Thomas-Morus-Drama „Ein Mann zu jeder Jahreszeit“. In John Hustons „Dave – Zuhause in allen Betten“ (1967) war Hurt bereits der Protagonist, ein gewitzter Gauner. 1971 spielte er mit Richard Attenborough im Krimi „John Christie, der Frauenwürger von London“.

1980 drehte David Lynch mit Hurt in der Hauptrolle den Klassiker „Der Elefantenmensch“ über einen entstellten, doch hoch gebildeten, sensiblen Mann, Anthony Hopkins spielte den Doktor. Erste Fantasy-Erfahrungen hatte Hurt zu diesem Zeitpunkt bereits gesammelt – in einer Zeichentrickversion von „Herr der Ringe“ 1978. Hurt hatte meist erstklassige Partner und Regisseure, etwa in Ridley Scotts „Alien“ (mit Sigourney Weaver), in Sam Peckinpahs Thriller „Das Osterman Weekend“ oder in „Aria“, einem Opernfilm, der 1987 im Wettbewerb von Cannes gezeigt wurde: Bekannte Regisseure wie Robert Altman, Derek Jarman, Ken Russell näherten sich Arien. Hurt spielte in Blockbustern („Indiana Jones und das Reich des Kristallschädels“, 2008), Independent-Filmen, Kammerspielen, er war für große wie für kleine Rollen zu gewinnen. In Lars von Triers tiefschwarzen Geschichten über Amerika, „Dogville“ und „Manderlay“, war Hurt der Erzähler – und auch in Tom Tykwers Verfilmung von Patrick Süskinds Roman „Das Parfum“.


„Doctor Who“. Die Jungen kennen Hurt vor allem als Zauberstabmacher Mr. Ollivander in „Harry Potter“ oder aus der Sci-Fi-Serie „Doctor Who“. Zweimal wurde Hurt für den Oscar nominiert, er gewann einen Golden Globe und vier Bafta-Preise, darunter 2012 für sein Lebenswerk und seine außerordentlichen Verdienste um den britischen Film. Bei der Berlinale 2009 erhielt er einen Teddy-Award für seine Darstellung des homosexuellen Schriftstellers Quentin Crisp in „An Englishman in New York“.

Queen Elizabeth II. schlug den sensiblen Star, dessen British-English viele US-Filme zierte und der ebenso streng und distanziert sein konnte wie klug und fast zärtlich, 2015 zum Ritter. Zu Hurts letzten Filmen zählen „Hercules“ nach der gleichnamigen Sage, er spielt den König von Thrakien, in „The Legend of Tarzan“, der jüngsten Tarzan-Verfilmung von David Yates, war er Professor Archimedes Q. Porter. Auch derzeit ist Hurt im Kino zu sehen – als Priester in „Jackie“ über Jackie Kennedy.

Hurt war viermal verheiratet und hatte zwei Kinder. Der so zurückhaltend, oft intellektuell und stets souverän wirkende Künstler machte immer wieder Schlagzeilen wegen seiner Alkoholeskapaden. Mit 77 Jahren starb er nun an Bauchspeicheldrüsenkrebs. „Die Konkurrenz in der Filmbranche ist extrem, dass die Drehbücher nur so herbeiflattern, ist eine Mär, speziell, wenn man älter wird“, sagte Hurt einmal. Bis zuletzt konnte er sich freilich über mangelndes Interesse nicht beklagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2017)

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