"Die verschwundene Stadt Z": Verloren im Urwald im Kopf

Der Entdecker Percy Fawcett verschwandbei der Suche nach der Stadt "Z" am Amazonas: Suchaktionen wie die abgebildete blieben erfolglos.
Der Entdecker Percy Fawcett verschwandbei der Suche nach der Stadt "Z" am Amazonas: Suchaktionen wie die abgebildete blieben erfolglos.(c) imago stock&people (imago stock&people)
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Der Film zeigt die Suche des Forschers Percy Fawcetts nach den Spuren einer antiken Zivilisation am Amazonas: eine Abwechslung zum Blockbuster-Brei.

"Something hidden. Go and find it. Go and look behind the Ranges / Something lost behind the Ranges. Lost and waiting for you. Go!" Wie eine göttliche Anrufung klingt die Stimme, die den "Explorer" in Rudyard Kiplings gleichnamigem Gedicht aus der Heimatreserve ins Abenteuer lockt, auf die Suche nach unentdeckten Ländern (und potenziellen Kolonien).

Percy Fawcett kannte den Ruf der Wildnis nur zu gut. Er leitete mehrere Expeditionen nach Südamerika, zunächst zwecks Landvermessung im Auftrag der Royal Geographical Society, später auf eigene Faust. Sein Heiliger Gral war eine verschollene Stadt, die er „Z“ nannte; mit ihrer Entdeckung hoffte der Brite, die einstige Existenz einer antiken Zivilisation in der grünen Hölle des Amazonas zu beweisen. Doch 1925 verschwand er zusammen mit seinem 21-jährigen Sohn und einem weiteren Wegbegleiter im Dickicht der Mato-Grosso-Region Brasiliens. Rettungsmissionen blieben erfolglos, Mythen wucherten. Erst 2005 gelang es dem Journalisten David Grann, die Schritte des Verlorenen nachzuverfolgen. Und mittlerweile werden Fawcetts Thesen, die lange Zeit als Hirngespinste abgetan wurden, von namhaften Archäologen vertreten.

Der New Yorker Regisseur James Gray hat ein lyrisches, weitschweifiges Historienepos über Fawcetts Entdeckerleben kreiert, das nicht nur in einer anderen Zeit spielt, sondern selbst einer solchen zu entstammen scheint – der Zeit New Hollywoods, als Filmemacher wie Francis Ford Coppola ihre ambitionierten Visionen mit relativ geringer Studioeinmischung umsetzen konnten.

Visuell und thematisch opulent

Schon am Anfang seiner Karriere, als Gray mit stilvollen und famos gespielten Gangsterfilmen auf sich aufmerksam machte („Little Odessa“, „The Yards“, „We Own the Night“), schien er den großen (und zuweilen auch großtuerischen) Autorenfilmern jener Ära nachzueifern. Die „Godfather“-Ästhetik des schönen (und in Europa dank kontraproduktiver Verleihpolitik nahezu unsichtbaren) Ellis-Island-Melodrams „The Immigrant“ zementierte diesen Eindruck. „The Lost City of Z“ will noch höher hinaus, angesichts des moderaten Budgets vielleicht sogar zu hoch – doch mit seiner visuellen Üppigkeit und thematischen Vielschichtigkeit bildet er auf alle Fälle eine erfreuliche Abwechslung zum üblichen Blockbuster-Brei.

Fawcett ist bei Gray weder ein Glücksritter wie Steven Spielbergs Indiana Jones noch ein armer Irrer wie der titelgebende Konquistador aus Werner Herzogs Eldorado-Höllenritt „Aguirre – Der Zorn Gottes“. Stattdessen legen der Regisseur und „Sons of Anarchy“-Star Charlie Hunnam die Figur als gemäßigten Getriebenen an, der zwischen Vernunft und Romantik hin- und herpendelt.

Die rigiden Sozialstrukturen der edwardischen Epoche hemmen Fawcetts gesellschaftlichen Aufstieg. Seine Forschungsreisen bringen Freiheit und Anerkennung, nach einem Keramikfund im Dschungel macht er die Suche nach „Z“ zu seiner Lebensaufgabe. Zunächst will er die rassistischen Ansichten seiner Landsleute durchkreuzen, die sich „Wilde“ mit Zivilisationspotenzial nicht vorstellen können. Doch der Erfolg lässt auf sich warten, und bald wird Fawcetts Pioniergeist zur Obsession, von der auch seine Familie in Mitleidenschaft gezogen wird. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs nimmt sie einen geradezu metaphysischen Charakter an.

Obwohl die Erzählung arm an Höhepunkten ist und die Spannung nicht immer hält, fasziniert Fawcetts jahrzehntelange Suchbewegung; nicht zuletzt, weil sie in Darius Khondjis honiggelbe Edelbilder eingebettet ist. Und am Ende erweist sich Gray wieder einmal als Meister der letzten Einstellung, bringt das Kernmotiv des Films in einer surrealen Komposition auf den Punkt: Wirklich gefährlich ist der Urwald im Kopf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2017)

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