"House of Cards": Frank und seine Trump-Momente

Episode  503
Episode 503David Giesbrecht / Netflix/Sony
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Ab Mittwoch geht es weiter mit „House of Cards“. Wie bewährt sich das Politdrama in Zeiten, da offene Lüge und öffentliche Drohungen der Intrige den Rang abgelaufen haben? Ein Blick auf die ersten beiden Folgen, frei von Spoilern.

Keine fünf Minuten ist die erste Folge alt, da hat Präsident Underwood, dieser hochfunktionale Soziopath unter den Politseriencharakteren, seinen ersten Trump-Moment: Er spricht vor dem Kongress, was unter den gegebenen Umständen, die hier nicht verraten werden, unerhört ist – und als die Republikaner sich darob empören, denn das sei „außerhalb jeder Norm“, brüllt er: „Das ist mir egal! Das ist mir völlig egal!“ Und er hat gut brüllen, denn eines haben wir seit 20. Jänner gelernt: Zwar muss sich auch der Präsident der USA an die Gesetze halten – aber nur an die geschriebenen. Und darum mag es „unmöglich“ und „gegen die Norm“ sein, wenn Trump den FBI-Direktor entlässt, der die Verbindungen des Wahlkampfteams zu Russland untersuchen lässt. Aber es ist rechtmäßig.

Man will kaum glauben, was alles rechtmäßig ist.

Die Netflix-Serie „House of Cards“, deren fünfte Staffel ab Dienstag ausgestrahlt wird, war von Anfang an so konzipiert, dass sie vom ständigen Vergleich mit der Politlandschaft in Washington gelebt, ihn genüsslich provoziert hat: die in Hinterzimmern geschmiedeten Ränke, die Verflechtung von Wirtschaft und Politik, die raffinierte Art und Weise, wie Frank Underwood, zuerst noch Abgeordneter, als Whip für die nötigen Stimmen im Kongress gesorgt hat . . . Angesichts dessen verzieh man der Serie ihre zahlreichen Ausrutscher ins Seifenopernhafte: Nein, auch ein noch so gewissenloser Vizepräsident wird niemals eine Journalistin höchstpersönlich vor die U-Bahn schubsen. Und wer soll bitte glauben, dass im Weißen Haus die Sitzungen im Schnitt nur zwanzig Sekunden dauern? Diese „schonungslose Effizienz“ hat schon Barack Obama amüsiert – und Bill Clinton: „99 Prozent von ,House of Cards‘ stimmen mit der Realität überein“, meinte er, „aber es ist unmöglich, dermaßen schnell ein Bildungsgesetz zu verabschieden.“

Die vierte Staffel wirkte wie aus der Zeit gefallen

Das Spiel mit der Wirklichkeit ging eine Zeit lang gut, später verzettelten sich die Underwoods in häuslichen Streitigkeiten – und dann kam auch noch Trump. Wer sich die ab März 2016 ausgestrahlte vierte Staffel mit einiger Verspätung zu Gemüte führte, war verblüfft, wie aus der Zeit gefallen die Serie plötzlich wirkte: Was sollten all die fein gesponnenen Intrigen, wenn dreiste Lüge und unverhohlene Drohung doch viel verlässlicher und schneller ans Ziel führen? Wie altmodisch wirkt Underwoods Versteckspiel, wenn man mit „Grab them by the pussy“ Präsident werden kann? Und die wichtigste Frage: Wie würde sich die fünfte Staffel in Zeiten von Trump bewähren können? Zumal die Drehbuchschreiber ja nicht viele Möglichkeiten hatten, auf die Veränderung der politischen Kultur zu reagieren: Die ersten beiden Episoden wurden noch während des US-amerikanischen Wahlkampfs abgedreht.

So viel sei gesagt: Sie bewährt sich besser als die vierte, sie setzt nämlich auf Eskalation. Dieser Präsidenten kennt keine Grenzen mehr – und lässt sich auch keine mehr setzen: Das sei aber schon ein bisschen extrem, wendet seine Außenministerin ein. Egal. Der Gefangene sei doch amerikanischer Staatsbürger und habe Rechte. Egal. Und nein: Er beantworte keine Fragen.

Apropos: Hat Underwoods weiß werdendes Haar nicht einen leichten Gelbstich?

Ideal zum Binge-Watchen

Sehr raffiniert ist das leider nicht mehr. Und der Plot? Er war in früheren Staffeln oft so verschachtelt, dass man ihm kaum folgen konnte, wenn man zwischen den einzelnen Folgen zu viel Zeit verstreichen ließ. Dass Netflix von Anfang an immer die gesamte Staffel mit einem Schlag ins Netz stellte, war so gesehen folgerichtig: „House of Cards“ ist ideal zum Binge-Watchen.

Doch zumindest in den ersten beiden Folgen der fünften Staffel überrascht der Plot nicht mehr durch seine Wendungen, sondern nur, weil man bestimmte Skrupellosigkeiten nicht einmal Frank Underwood zugetraut hätte. Vor allem aber krankt die fünfte Staffel an einem: Underwood ist Demokrat. Das hätte man zuweilen vergessen können, Macht hat schließlich keine Parteifarbe und Machthunger auch nicht, aber jetzt wird es kritisch: Die Werte, auf die er die Amerikaner einschwört, würden besser zu einem Republikaner passen.

Auf der Haben-Seite? Ist es jedenfalls unterhaltsam mitanzusehen, mit welcher Raffinesse sich Frank und Claire Underwood immer wieder aus der Affäre ziehen.

Da wäre Trump langweiliger.

Netflix stellt ab 30. Mai sämtliche Folgen der fünften Staffel online. Im deutschsprachigen Raum wird die Netflix-Serie exklusiv von Sky ausgestrahlt.

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