„Baywatch“-Film: Sonne, Strand und Ironie

Gestählte Körper vor Urlaubskulisse: Das kann man heutzutage doch nicht ernst meinen?
Gestählte Körper vor Urlaubskulisse: Das kann man heutzutage doch nicht ernst meinen?(c) Paramount Pictures]
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Wie belebt man einen Serienstoff wieder, der aus heutiger Sicht albern wirkt? Hollywood weiß: mit ganz viel Augenzwinkern. Doch Seth Gordons Küstenwächterposse ist nicht parodistisch genug – und geht unter im schalen Witzgemisch.

In den Neunzigern war „Baywatch“ eine der erfolgreichsten Fernsehserien der Welt. Rund um den Globus lockten die stolzen Trommelschläge von Jimi Jamisons Titelsong „I'm Always Here“ Groß und Klein vor die Flimmerkiste – auf die „Rettungsschwimmer von Malibu“ konnten sich (fast) alle einigen. Denn „Baywatch“ bot in Sachen TV-Unterhaltung ein Rundum-sorglos-Paket, lang vor der Aufsplitterung des Marktes durch Bezahlsender und Streamingdienste: Krimispannung, Seifenoper, Action, Comedy und Abenteuer. Von allem ein bisschen, von keinem zu viel. Eingebettet in kamerafreundliche kalifornische Kulissen, die (Urlaubs-)Sehnsüchte nach Sommer, Strand und Meer bedienten. Und natürlich jede Menge Fleischbeschau – nicht zu schmuddelig (schließlich sah die Jugend zu), aber doch pikant genug, um die Fantasie anzuregen, mit schmachtlockigem Oberschönling (David Hasselhoff) und blondem Busenwunder-Blickfang (Pamela Anderson) als Pin-up-Material fürs Hinterstübchen.

Damals hatten wohl die meisten Zuschauer ihren unbedarften Spaß mit der kultigen US-Show – doch betrachtet man sie durch die Brille einer abgeklärten Gegenwart, wirkt sie unweigerlich albern. Und das stellt die Wiederkäumaschine Hollywood vor ein Problem: Wie kann man diese IP (das Branchenkürzel für „intellectual property“, also geistiges Eigentum) reaktivieren und kassenträchtig machen, ohne dass das Publikum aus Peinlichkeit fernbleibt? Die Traumfabrik hat für diesen Fall ein wirksames Allheilmittel parat: Ironie. Wenn man die Scham, die der eine oder andere Betrachter angesichts seines „Baywatch“-Genusses empfinden mag, ausdrücklich anerkennt und den Film selbst mit einem wissenden Augenzwinkern versieht, fühlen sich alle wohl und brauchen nicht um ihr kostbares Selbstbild bangen. Das ist zwar scheinheilig, aber es funktioniert. „21 Jump Street“ von Phil Lord und Chris Miller hat den Beweis geliefert. Darum ist auch der neue „Baywatch“-Film zuvorderst eine Komödie.

Dümpeln im Nichtschwimmerbecken

Nur leider keine besonders gute. Denn wo Lord und Miller die metafiktionale Parodie zu einer eigenen Kunstform erhoben (die ihre Apotheose im Lego-Film fand), dümpelt Seth Gordons Küstenwächterposse vornehmlich im Nichtschwimmerbecken herum. Die größte Ironie ist, dass der Film nicht ironisch genug ist. Zwar könnte seine Handlung einer Samstagmorgen-Sitcom des Disneykanals entstammen, sie nimmt sich aber weitgehend ernst: Der Olympiamedaillenträger und Nationalheld Matt Brody (Zac Efron) speibt sich vor laufender Kamera in öffentliche Ungnade und ist gezwungen, einen Job als Rettungsschwimmer anzunehmen. Er wird dem Team von Mitch Buchannon (Dwayne Johnson) zugeteilt und macht sich mit seiner Ego-Macker-Art umgehend unbeliebt. Doch als die teuflische Victoria (Priyanka Chopra), ihres Zeichens Drogenboss und Immobilienhai, die Truppe in Bedrängnis bringt, muss Matt seinen Stolz herunterschlucken.

Knappe zwei Stunden lang watet „Baywatch“ durch ein unausgegorenes Gemisch aus halblustigem Slapstick, zweitklassiger Action und forcierten Referenzen. Ein paar Running Gags bleiben hängen: Etwa die endlosen Spitznamen, mit denen Mitch seinen widerwilligen Famulus aufzieht („Justin Bieber“, „One Direction“ „High School Musical“) oder Matts fehlendes Verständnis für die deplatzierten Detektivimpulse seiner Kollegen („Sollten wir nicht besser die Polizei rufen?“).

Sonst regiert müder Teenie-Klamotten-Humor: Die Genitalien des Quoten-Nerds (ganz nett: Jon Bass) bleiben in der Strandliege stecken, hihi! Matt muss den Intimbereich eines männlichen Leichnams inspizieren, hoho! Wär's wenigstens gewitzter inszeniert. Ein paar Botschaften gibt's auch, irgendwas mit Zivilcourage – und natürlich Teamwork, der letzte Zufluchtswert im ideologischen Brachland. Denn wo Dwayne Johnson, Teamleiter der Herzen aus „Fast & Furious“, sein (nach wie vor einnehmendes) Animateurgrinsen auffächert, da darf das Wort „Familie“ nicht fehlen.

Und sofern die Frage im Raum steht: Abgesehen von der Antagonistin sind die Frauenfiguren (gespielt von Alexandra Daddario und Kelly Rohrbach, Letztere in der Anderson-Rolle) zwar nicht besonders interessant, aber ihre Körper werden ausgiebig zur Schau gestellt – mit ironischer Absicherung, versteht sich. Wenigstens wackeln hier nicht nur die Oberweiten: Zuweilen dürfen auch die Männer ihre Brustmuskeln in Zeitlupe baumeln lassen.

BAYWATCH

Die Serie mit dem Untertitel „Die Rettungsschwimmer von Malibu“ erzählte (1989–2001) in elf Staffeln (oder 243 Folgen) von der Arbeit und den persönlichen Beziehungen kalifornischer Rettungsschwimmer. Die Schauspieler wurden oft getauscht, eine Konstante blieb David Hasselhoff (er war auch Produzent) als Teamchef Mitch Buchannon. Pamela Anderson und Carmen Electra wurden durch „Baywatch“ auch als Schauspielerinnen bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2017)

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