Hans Hurch ist tot: Der widerständige Geist der Viennale

(c) Viennale / Alexi Pelekanos
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Am 23. Juli ist der langjährige Viennale-Direktor Hans Hurch an Herzversagen gestorben. Er machte das Filmfestival zu einer internationalen Institution – und war eine der markantesten Stimmen der heimischen Kinolandschaft.

Nur wenige Filmfestivals genießen in cinephilen Kreisen einen so guten Ruf wie die Viennale. Jeden Herbst pilgern zahlreiche Kinoenthusiasten nach Wien, um im Rahmen der Veranstaltung der siebten Kunst zu huldigen. Grund dafür ist vor allem das weitläufige und wagemutige Programm – und das trug in den letzten zwanzig Jahren die unverkennbare Handschrift eines Mannes, dem breiter Publikumsgeschmack nie viel bedeutet hat: Hans Hurch.

Seine Haltung war stets beseelt von der Idee des Widerstands: Gegen den gedankenlosen Konsum von Laufbildern, die Vorherrschaft des Themas über die Form, die Einspeisung des Filmwunders in eine kunstfeindliche Diskursmaschinerie. Sogenannte „Filmkultur“ interessierte ihn nicht, wie er oft betonte. Seine Leidenschaft galt dem Kino selbst. Von dessen Potenzial, die Welt zu verändern, war er fest überzeugt, er verstand die Viennale auch als Plattform für die Präsentation utopischer Entwürfe – aber er wurde dabei nicht zum Eiferer. Nicht umsonst sprechen Porträts von einem „sanften Rebellen“, einem „freundlichen Terroristen“.

Frühe Begeisterung in Schärding

Seine Kinobegeisterung entwickelte er bereits früh, als Kind im oberösterreichischen Schärding, wo er in einem Haushalt ohne Fernsehapparat aufwuchs. Bei Schulvorführungen lernte er subversive Stummfilmkomödien von Chaplin, Keaton, Laurel und Hardy kennen und lieben. Später nahm er diese immer wieder ohne besonderen Anlass ins Viennale-Programm. Nach der Matura zog es ihn Richtung Wien, wo er zur Stammkundschaft von Filmmuseum und Stadtkino gehörte – und nach einem Parcours durch diverse Studienrichtungen (Kunstgeschichte, Philosophie, Archäologie, Soziologie und Psychologie) für die junge Stadtzeitung „Falter“ zu schreiben begann.

Diese Tätigkeit markierte den Anfang einer lebenslangen, intensiven Beschäftigung mit Film, zu der auch Regieassistenzen bei Arbeiten von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet gehörten („Der Tod des Empedokles“, „Antigone“). In Hurchs persönlichem Kanon standen das Künstlerpaar und dessen in jeder Hinsicht radikal unabhängiges Werk ganz weit oben: Bis zuletzt kam keine Viennale ohne Straub-Beitrag aus. 1994 konnte sich Hurch im Zuge des staatlichen Jubiläumsprojekts „hundertjahrekino“ als kundig-findiger Kurator profilieren und wurde schon drei Jahre später zum Viennale-Direktor berufen. Seine Beziehung zum Vorgänger Alexander Horwath, der im Gegenzug die Leitung des Österreichischen Filmmuseums übernahm, blieb stets angespannt – die Retrospektive des Festivals konzipierten die beiden dennoch Jahr für Jahr gemeinsam.

Unter Hurch geriet die Viennale zum Schlaraffenland für Kino-Liebhaber, das den Finger fest am Puls der Zeit hatte. Jede Ausgabe bot einen Aufriss der spannendsten Positionen des Gegenwartskinos und ihrer Wurzeln, mit Fokus auf Autorenfilm. Zu vielen Regisseuren unterhielt Hurch ein persönliches Verhältnis, er verschickte manch eine Einladung per Postkarte. Trotzdem verkam das Festival nie zu einem abgehobenen Privatverein, im Gegenteil: Aus dem Wiener Masseneventkalender war es bald nicht mehr wegzudenken. Denn bei aller Selbstgenügsamkeit hatte Hurch ein Gespür für seine Zuschauer und wusste dieses geschickt zu nutzen, Sperriges und Spaßiges hielt sich bei seiner Auswahl bewusst die Waage.

Bei öffentlichen Auftritten gab er sich – bärtig, mit markanter Mähne und zumeist in Schwarz – betont bodenständig: als weiser Schelm mit Hintersinn und Aperçu-Talent, eine Art Herr Keuner des Kinos. Viele seiner Pressekonferenzen und Eröffnungsreden enthielten Spitzen und Sticheleien; manchmal auch gegen die österreichische Kulturpolitik, mit deren Vertretern er sich aber gut verstand. Weniger fruchtbar war Hurchs Beziehung zum heimischen Filmschaffen, das er in Interviews wiederholt abtat. 2012 zog Ulrich Seidl zwei seiner Arbeiten aus dem Viennale-Programm zurück, weil man sich nicht auf einen adäquaten Spieltermin einigen konnte.

Kritik an der heimischen Filmkritik

Auch auf die österreichische Filmkritik war Hurch nicht besonders gut zu sprechen. Zuletzt sorgte er mit einem „Falter“-Interview für Schlagzeilen, in dem er Kritiker als „Sklavenseelen“ und „Parksherrifs“ verunglimpfte: Das war der Ausdruck eines ausgeprägten Hangs zur kalkulierten Provokation, der ihn konstant im Gespräch hielt. Aber am Ende ging es ihm doch um die „Sache“, wie Hurch 2015 bei einer Diskussion am Rande der Berlinale erklärte: „Ich weiß, dass ich es nicht schaffen werde, mit dem Programmieren von Filmen eine Revolution herbeizuführen, aber wenigstens habe ich immer noch die Ahnung im Hinterkopf, dass etwas anderes möglich ist als die bestehende Welt“. Am Sonntag starb Hans Hurch in Rom, wo er den Filmemacher Abel Ferrara besuchte, an den Folgen eines Herzinfarkts. Im Dezember wäre er 65 geworden, seine unlängst verlängerte Viennale-Intendanz ging noch bis 2018. Die Ahnung einer anderen Welt – und eines anderen Kinos – müssen nun andere weitertragen.

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