„Bar Bahar“: Coole Frauen unter Frommen

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„Bar Bahar“ erzählt von drei partyaffinen Palästinenserinnen in einer sittenstrengen Welt – aber allzu kalkuliert und schematisch.

Ein Hurra-Hedonismus-Drama, das nicht im hinterletzten Winkel der westlichen Hemisphäre oder in den konservativen 50er-Jahren spielt, kann nicht mehr als zeitgemäß oder widerständig angesehen werden. Dafür hatte das Konzept von der Freisetzung des Triebes, wie es die 68er formuliert hatten, immer schon den Haken, nur so lange subversiv zu bleiben, wie sich die Autoritäten zugeknöpft und lustfeindlich geben. Andernfalls ist der gerauchte Joint schnell als eigennütziger Konsum und das offene Dekolleté als konformistischer Exhibitionismus enttarnt. Machen wir uns also nichts vor: Freizügigkeit ist schon längst ein Mainstream- und kein Protest-Imperativ mehr.

Deswegen musste auch das Genre des Jugenddramas mit seinen Generationskonflikten und seinem Selbstbefreiungspathos einen Schauplatzwechsel vollziehen. So wie im Film „Bar Bahar“ (zu sehen im Wiener Gartenbaukino), der in Tel Aviv unter drei jungen, partyaffinen Palästinenserinnen angesiedelt ist, die ihren drakonischen Familien aus der Provinz vorgaukeln, ein frommes Leben zu führen.

Freilich ist es längst überfällig gewesen, den Träumen, dem Alltag, den Dilemmata auch dieser Minorität zur Sichtbarkeit zu verhelfen. Trotzdem gelingt es der Regisseurin Maysaloun Hamoud aber nicht, diese Themen in eine originelle Form zu übersetzen. Es bleibt bei der redundanten Feststellung, dass es unter den oft als sittenstreng wahrgenommenen Arabern auch ein paar kiffende und selbstbestimmte Frauen mit coolem Musikgeschmack gibt.

Bigotter Bösewicht

Die viel dringlichere Frage, wie diese Lebensweise mit der von orthodoxen Gläubigen harmonieren soll, wird hingegen mit dem Hebelschneider beantwortet. Im Gegensatz zu den urbanen Heldinnen sind die nämlich rückständig, bigott und homophob – vor allem der islamistische Verlobte der schleiertragenden Streberin aus der Gruppe, der den Bösewicht gibt. Dass der als scheinheilig und besiegbar bloßgestellt wird, mag Betroffene in der realen Welt zumindest in ihrem Streben nach Emanzipation bestärken – und doch wirkt der Triumph durch den kalkulierten Plot und die schematische Rollenverteilung billig erkauft. So wie der Film insgesamt seinen erkennbar guten Absichten immer inszenatorisch hinterherhinkt – als verberge sich hinter seiner sozialrealistischen Verpackung kaum mehr als eine Soap.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2017)

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