Julian Pölsler: „Ich habe Angst vor Kitsch“

(c) ORF (Alfons Kowatsch)
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Regisseur Julian Pölsler steht zum Happy End für Erzherzog Johann und seine Anna, verteidigt die Bergkulisse gegen Städter und schwärmt von Tobias Moretti.

„Die Presse“: Was hat Sie dazu bewogen, dem Erzherzog Johann einen TV-Film zu widmen?

Julian Pölsler: Ich habe dem ORF schon vor vielen Jahren vorgeschlagen, die Geschichte von Erzherzog Johann und der Postmeisterstochter Anna Plochl zu verfilmen, weil das eine der wenigen Liebesgeschichten aus aristokratischen Kreisen ist, die ein Happy End haben. Und als Steirer, der ich bin, kommt man am Erzherzog Johann sowieso nicht vorbei. Je mehr ich mich mit ihm auseinandergesetzt habe, desto interessanter fand ich ihn. Der hat nicht nur in der Liebe nicht davor zurückgescheut, Grenzen zu überschreiben, sondern auch im Politischen.


Das politische Engagement des Erzherzogs klingt in Ihrem Film aber nur leise an, es geht dann doch (fast) nur um die Liebe.

Pölsler: Ja, leider. Nachdem auch deutsche Sender beteiligt sind, mussten wir die Liebesgeschichte in den Vordergrund stellen. Ich habe mich lange dagegen gewehrt.

Wie ist es Ihnen gelungen, eine so interessante Besetzung zu engagieren? Tobias Moretti, Peter Simonischek, Hubert von Goisern, Franz Morak als Kaiser Franz Josef, Burgschauspieler Roland Koch als Fürst Metternich – man kann gar nicht alle aufzählen.

Pölsler: Hubert von Goisern zum Beispiel, den kenne ich schon seit 25 Jahren, da hat er noch auf der Kärntner Straße gesungen. Anders bei Anna Maria Mühe: Ich kannte sie nicht und hatte Bedenken, ob eine blonde, blauäugige Berlinerin die Rolle der Anna spielen kann. Aber sie macht das grandios. Ich habe eine Bekannte – übrigens die Nichte von Alfred Komarek, die in Bad Aussee arbeitet und perfekt Ausseer Dialekt spricht – gebeten, für Anna die Texte auf Band zu sprechen. Sie hat dann beim Autofahren gelernt und macht das wunderbar. Und was Moretti betrifft: Das war für mich eine große Begegnung, weil er wirklich ein Ausnahmekönner ist... nicht nur als Schauspieler, auch als Mensch. Er hat sich sehr intensiv mit dem Erzherzog Johann auseinandergesetzt, und wir hatten auch heftige, sehr schöne, sehr kreative Diskussionen.

Kann man eine historische Liebesgeschichte ohne Kitsch verfilmen?

Pölsler: Moretti hat wahnsinnige Angst vor dem Kitsch. Ich auch. Die Gefahr ergibt sich schon aus dem Umstand, dass es ein Happy End gibt – und die beiden haben dann ja noch richtig Karriere gemacht: Er wurde Reichsverweser, sie Gräfin. Und dann spielt das auch noch in einer so unglaublich schönen, manche sagen: kitschigen Umgebung. Aber ich finde, die Berge, die Natur können nicht kitschig sein – das wollen uns die Städter nur einreden. Ich habe bei der Besetzung darauf geachtet, dass kein Kitsch entstehen kann. Und ich habe darauf verzichtet, den Film über den Briefwechsel aufzuziehen: Die Art zu schreiben in der damaligen Zeit, das klingt für uns wie Kitsch.


Manche meinen, der Erzherzog Johann sei seiner Anna nicht immer treu gewesen. In Ihrem Film hat er aber eine reine Weste.

Pölsler: Ich habe alle Briefe des Erzherzogs gelesen. Der war ja sehr deprimiert und melancholisch, wurde sehr jung Vollwaise und aus seinem geliebten Florenz nach Wien verpflanzt. Es gibt tatsächlich zwei, drei Briefe, in denen er von Sennerinnen schwärmt, aber der Superfeger war er nicht. Es war wohl eher so, wie es Metternich im Film andeutet: Da wurden bewusst Gerüchte in die Welt gesetzt. Wenn man vom Land ist, dann weiß man: Wenn eine ein uneheliches Kind bekommen hat, dann war es besser, sie tat so, als wäre es von irgendeinem Adeligen.

ZUR PERSON

Erzherzog Johann (*20.1.1782, Florenz; †11.5.1859, Graz) war Sohn des späteren Kaiser Leopold II. und Bruder von Kaiser Franz I. Sechs Jahre lang wartete er auf die Genehmigung der Habsburger, die bürgerliche Anna Plochl zu heiraten (18.2.1829), wurde danach von der Thronfolge ausgeschlossen. Er engagierte sich für die Anliegen der Bauern und einfachen Leute, wird auch der „steirische Prinz“ genannt.

Der Film: „Geliebter Johann, geliebte Anna“, 30.12., 20.15Uhr, ORF2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2009)

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