"Up in the Air" verfilmt: Völlig losgelöst

George Clooney
George Clooney(c) AP (Dale Robinette)
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Ein US-Manager, der die Schallgrenze von 10.000.000 Bonusflugmeilen erreichen will. Mit George Clooney in der Hauptrolle wurde Walter Kirns Roman "Up in the Air" nun verfilmt.

Airworld“ nennt sich der Kosmos, in dem Ryan Bingham lebt. Geschmeidig, unverbindlich und flüchtig – eine schwerelose Zwischenwelt, in der Taten und Worte kein Gramm zu viel wiegen dürfen.

Es ist die Welt der Check-in-Schalter der Fluglinien, an denen er, ein „Career Transition Consultant“ aus dem Mittleren Westen der Vereinigten Staaten, seine Bonusmeilenkarte professionell liebenswürdigen Damen vorweist; mit einem Straßennetz von Endlos-Laufbändern, die man, geht es nach Bingham, auf jeden Fall entlangeilen muss – denn stehen bleiben ist verboten!; und der wohltemperierten Luxus-Lounges, in denen Bingham die Lokalzeitungen der Airworld wie das „Wallstreet Journal“ studiert oder mit einem anderen Reisegast (gerne weiblich!) ein ebenso eloquentes wie folgenloses Gespräch führt.

Eine Nation in der Nation.„Airworld ist eine Nation in der Nation, mit eigener Sprache, Architektur und Stimmung, ja selbst mit eigener Währung – den Guthaben an Bonus-Gutmeilen –, einer Währung die ich weit mehr zu schätzen gelernt habe als den Dollar“, lässt Walter Kirn, Literaturkritiker bei GQ, time und Vanity Fair, seinen Helden sagen. Das erklärte Ziel des Sehrvielfliegers Ryan Bingham, der seine Wohnung längst aufgegeben und seine Sachen in einem Lager verstaut hat: das Durchbrechen der Schallmauer von zehn Millionen Bonusmeilen. Doch zwischen Denver und Reno, Salt Lake City und Chicago, Las Vegas, Phoenix und Omaha gerät seine Welt ins Wanken – Flüge verspäten sich, Hacker machen sich an seiner Kreditkarte zu schaffen, die Karriere des Managers will sich nicht so recht weiterentwickeln, und seine Schwester ist in Schwierigkeiten.

Kirns Roman erschien in den Vereinigten Staaten erstmals vor knapp zehn Jahren, 2001 – die Blase der New Economy war gerade geplatzt. 2003 publizierte der Verlag Kiepenheuer und Witsch das Buch dann unter dem Titel „Mr. Bingham sammelt Meilen“ auf Deutsch. Ein paar Besprechungen folgten, der Massenerfolg blieb aber aus.

Der könnte nun eintreten, denn die Buchvorlage wurde nun unter der Regie von Jason Reitman („Juno“, „Thank you for Smoking“) verfilmt und kommt ab 4. Februar auch in die österreichischen Kinos. Kirns Roman wurde – wohl aus marketingtechnischen Gründen – kurzerhand umbenannt und heißt nun in der Neuauflage wie der Film: „Up in the Air“, auch in deutscher Übersetzung. George Clooney spielt in dem knapp zwei Stunden dauernde, gelungenen Streifen die Hauptrolle; seine Liebesaffäre Alex, im Buch nur eine von vielen amourösen Bekanntschaften des Managers, die im Film wesentlich breiter ausgewalzt wird, wird von Vera Farmiga dargestellt.

Manager in der Krise. Ein Film über erfolgreiche High-fly-Manager im Folgejahr der Wirtschaftskrise ist so eine Sache, dem Zeitgeist entspricht das eigentlich nicht. Reitman präsentiert den Plot denn auch stark abgeändert von der Romanvorlage: Neben der – letztendlich unglücklich verlaufenden Liebesgeschichte – steht Binghams Job, nämlich überschüssig gewordene Arbeitnehmer möglichst sanft auf die Arbeitslosigkeit vorzubereiten, im Mittelpunkt. Und aus einem Manager, der in Walter Kirns Roman noch am liebsten seine Firma von heute auf morgen verlassen würde (aber zuerst muss er noch die Bonusmillion schaffen!), ist ein Anzugträger-Lebemann geworden, der um alles in der Welt seinen Vielfliegerjob behalten will. Es hat sich also ein gewisses Krisenbewusstsein auch unter den Managern durchgesetzt: Sie wissen, sie können jeden Moment als Nächste dran sein in der Rationalisierungsspirale. Und es hat etwas Verzweifeltes, wenn sich George Clooney gegen die neuen Rentabilitätsvorschriften seines Unternehmens querlegt, die den glücklichen Heimatlosen zur Telearbeit im Firmensitz zwingen wollen.

Unsanfte Landung. Während man sich in Kirns teils langatmigem und sprachlich allzu aufgesetzt-kunstfertigem Buch einen doch etwas drögen Geschäftsmann vorstellt, darf Clooney in Reitmans Verfilmung unzählige Male seinen Nespresso-Blick aufsetzen, verträumt mit Alex durchs Bild tanzen und – am Schluss – unsanft auf dem Boden der Realität landen. Denn das echte Leben ist nun mal weniger geschmeidig als die Airworld.

Walter Kirn, "Up in the Air", KiWi Paperback, 320 Seiten, 9,20 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2010)

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