Filmkritik: Gefälliges vom Älterwerden

"Guilas Verschwinden", ein bürgerliches Ensemblestück nach einem Drehbuch von Martin Suter, ist ein gefälliges bürgerliches Ensemblestück, tiefgründiger als versierte Seelenbalsam-Belletristik wird es nicht.

Der Anfang hat etwas Magisches, nicht nur, weil die Titelheldin eine gespenstische Erfahrung macht: Giulia (Corinna Harfouch) blickt im Bus umher. Die jungen Mädchen scheinen in einer anderen Welt zu sein, die ältere Dame, die sich zu ihr setzt, fällt ihr aber gar nicht auf. „Uns Ältere sieht man halt nicht mehr“, meint die freundlich. Kurz schaut Giulia auf das Fenster – und ihr eigenes Spiegelbild ist verschwunden. Dann hat sie das Gefühl, nicht mehr wahrgenommen zu werden.

Sie ist auf dem Weg zu einer Geburtstagsfeier – ihrer eigenen, sie wird 50. Das Älterwerden ist das Thema von Christoph Schaubs heiter-melancholischem Film Giulias Verschwinden, geschrieben vom Schweizer Erfolgsautor Martin Suter, dem die Idee für das Drehbuch im Schlaf gekommen ist: Schweißgebadet sei er erwacht, nachdem er geträumt hat, 40 Jahre alt zu sein – dann hätte er realisiert, dass er schon 52 ist. Die Magie der Eröffnungsszene fängt etwas von traumhafter Ungewissheit ein: Entspannt bewegt sich der Film zwischen mehreren Figuren, entwirft ein zunächst undurchschaubares Gewebe. Dann bilden sich Erzählblöcke: Aus dem musikalischen Arrangement vieldeutiger Blicke und halb gehörter Gespräche wird ein typischer Episodenfilm mit abgezirkeltem Spielraum.

Gefühle, nicht zu anarchisch

Giulias Freunde warten im Restaurant und tauschen spitze Bemerkungen über das Für und Wider des Alterns: gestorbene Freunde und gesünderes Essen – und Schönheitschirurgie. Giulia strandet indes bei einem geheimnisvollen Geschäftsmann von Welt (Bruno Ganz), der sie an der Bar auf einen Drink einlädt: Man plaudert über das Leben, Gefühle erwachen. Zwei weitere Geschichten binden die anderen Generationen ein: Familienkrisen, als die jungen Mädchen vom Anfang beim Ladendiebstahl erwischt werden, eine peinlich-heiter eskalierende Geburtstagsfeier im Altenheim, die mit einer Tortenschlacht endet. Nicht zu anarchisch, selbstverständlich. So wie am Ende alle Erzählstränge etwas gewollt zusammenfinden.

Giulias Verschwinden ist ein gefälliges bürgerliches Ensemblestück, tiefgründiger als versierte Seelenbalsam-Belletristik wird es nicht. Die Raffinesse des vor drei Jahren verstorbenen Filmemachers Daniel Schmid, für den Suter das Buch geschrieben hat, erreicht Regisseur Schaub nicht, aber das ist keine Schande. hub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2010)

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