"The Book of Eli": Mit der Bibel durch eine zertrümmerte Welt

(c) AP (Warner Bros Pictures)
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Denzel Washington in „The Book of Eli“ von den Hughes-Brüdern: visuell eindrucksvoll. Es ist ihr erster Spielfilm seit From Hell, geschrieben hat ihn der englische Videospieljournalist Gary Whitta.

Man muss gar nicht wissen, worum es geht: Beim Anblick der silbergrauen Bilder voller Trümmer und eingestürzter Häuser im Hintergrund ist klar, dass die Welt aufgehört hat zu leben. Der Film The Book of Eli zeigt nur totes Material: Skelette hinter dem Steuer ihres Fahrzeugs, als würden sie an der Ampel warten, dass die Fahrt weitergeht. Die paar überlebenden Tiere, die im Schutt Fressbares suchen, werden selbst zur Beute.

Eli (stoisch: Denzel Washington) ist ein Wanderer mit einer Mission in dieser postapokalyptischen Welt. In der Tasche hat er die Machete und ein Buch, das den Überlebenden Hoffnung spenden und einen friedlichen Neuaufbau ermöglichen soll. Denn die Räuber kriechen aus ihren Höhlen: Martialisch bewaffnet und ausreichend motorisiert, brettern sie über die Highways, auf der Suche nach Spaß, Spannung und Büchern. Literatur ist Gold wert: Nur mehr wenige können lesen, wie Carnegie (eine Galavorstellung: Gary Oldman), der ein Kaff beherrscht und sich die Trümmerwelt mit der Macht von Worten zu eigen machen will. Er weiß sofort, was Eli trägt: das Buch, das er seit Jahrzehnten sucht – die Bibel.

Das postapokalyptische Kino ist im Kern eine religiöse Sache: Weil für die Welt jede Hoffnung zu spät kommt, suchen deren Bewohner umso frenetischer den Sinn im Chaos. Marodierende Banden auf fahrbaren Untersätzen – ein Generalrequisit im Genre, meisterhaft benutzt von George Miller in Mad Max2 – stehen auch in The Book of Eli für eine barbarische Vormoderne: Man organisiert sich in Stämmen, interessiert sich nicht für Vergesellschaftung und Moral. Mit Washingtons zu verknappt gespieltem Eli marschiert eine Erlöserfigur aus der christlichen Mythologie auf sie zu.

Es ist der erste Spielfilm der Hughes-Brüder seit From Hell, geschrieben hat ihn der englische Videospieljournalist Gary Whitta. Seine gefährliche, leere Welt hat die Ästhetik eines Comicbuchs: In den extrem kontrastintensiven, nachträglich digital verfremdeten Bildern von Kameramann Don Burgess setzen sich Vorder- und Hintergrund wie in Zeichnungen scharf voneinander ab. Eine der eindrucksvollsten Szenen: Washington erledigt unter einer Brücke gleich mehrere Angreifer mit der Machete – ein Silhouettentanz mit gelegentlichen Blutstropfen.

Der Minimalismus des Drehbuchs und die Konzentration der Inszenierung wirken aber nicht immer positiv: Lang dümpelt der Film dramaturgisch dahin, ohne große Actionmomente, ohne funktionierende Figuren. Nur Tom Waits' tolle Kleinstrolle sorgt für Heiterkeit, bis das gut vorbereitete Finale doch noch einen Blick in die Zukunft (mit Malcolm McDowell!) bietet – und sich ein Hoffnungsfunke einstellt: dass es doch ein Später gibt, dass die Ampel auf Grün springt, dass Farben unter dem Dreck der Apokalypse schimmern und vielleicht sogar ein spiritueller Wanderer wie Eli wieder lachen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2010)

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