Wenn Hollywood eine schwule Teenie-Romanze erzählt: Sieht so ein Hoffnungsträger aus?

Der 17-jährige Titelheld (Nick Robinson) wächst in einer liberalen Mittelstandscommunity auf. Trotzdem fällt ihm das Outing schwer. Was, wenn ihn Freunde und Familie jetzt mit anderen Augen betrachten?
Der 17-jährige Titelheld (Nick Robinson) wächst in einer liberalen Mittelstandscommunity auf. Trotzdem fällt ihm das Outing schwer. Was, wenn ihn Freunde und Familie jetzt mit anderen Augen betrachten?(c) 2018 Twentieth Century Fox
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"Love, Simon" ist die erste Hollywood-Studioproduktion, die eine Liebesgeschichte zwischen zwei schwulen Jugendlichen erzählt. Sie ist sehr konventionell geraten.

Ein homosexueller Jugendlicher mit schwarzer Hautfarbe gibt sich auf einer Kostümparty als Barack Obama aus und erklärt seinen als John Lennon, Yoko Ono, Sigmund Freud und Wonder Woman verkleideten Gästen, er befürchte die Zerstörung seines, also Obamas, liberalen Vermächtnisses durch Trump. Der erste schwarze US-Präsident, ein ikonisches Protestpärchen, der Wegbereiter der sexuellen Aufklärung und eine Comic-Emanze – ist das Zufall? Wohl kaum.

Die Verfilmung der hierzulande als „Nur drei Worte“ betitelten Jugendbuch-Vorlage von Becky Albertalli ist die erste Hollywood-Studioproduktion, die eine Romanze zwischen zwei schwulen Teenagern thematisiert. Und sie entpuppt sich als überraschend politisch. Denn die adoleszenten Protagonisten, die wir hier näher kennenlernen, sind zugleich Hoffnungsträger der inzwischen abgeschlagenen Demokraten, die ihren Traum von einem regenbogenbunten Amerika wohl schon längst aufgegeben hätten, wenn in den USA nicht das ungeschriebene Gesetz gälte, auf die Folgegeneration zu zählen, sobald es zappenduster geworden ist.

Der Handlungsort ist eine verschlafene Vorstadt nahe Atlanta/Georgia. Der Mittelstands-Community geht es gut. Gesund und wohlhabend schauen dort alle aus. Und liberal sind sie. Sollte er sich als Homosexueller outen, habe er von seinem engsten Umfeld nichts zu befürchten, gesteht der 17-jährige Titelheld (Nick Robinson) seinem E-Mail-Brieffreund, der ebenfalls schwul ist und in den er sich verliebt, obwohl er ihn nur unter seinem Internet-Pseudonym kennt. Trotzdem zaudere er. Was wäre, wenn man ihn nicht mehr als dieselbe Person wie vorher wahrnehmen würde? Change, Veränderung – in trüben Zeiten ein verheißungsvolles Wahlkampfschlagwort – kann auch Angst machen, wenn man mit dem Vertrauten zufrieden ist.

Schleichwerbung für Kekse

Auch wenn in einem demokratischen Rechtsstaat – so könnte man die Botschaft des Films beschreiben – bestimmte Ideale auf staatlicher Ebene diskreditiert werden, ist es dennoch möglich, sie in privaten, regionalen und familiären Kontexten weiter aufrechtzuerhalten. Hängt der Haussegen nicht schief, kann man sich sogar die Melodramen um familiäre Entfremdung und Zerwürfnisse ersparen. Die Jungen werden zu den Lehrern der Alten und hören trotzdem nie auf, gleichzeitig ihre Schüler zu bleiben. Selbst wenn sie ein klassisch bürgerliches Eheleben führen, müssen die Eltern keine Spießer mehr sein und ihre Unbeholfenheit im Umgang mit der Homosexualität ihrer Nachkommen kann sogar etwas Anrührendes gewinnen, wie die schönsten Momente im Film beweisen.

Vor dem Hintergrund der gegenwärtig nicht nur in den USA salonfähig gewordenen Ressentiments gegen Randgruppen jeglicher Art kommt „Love, Simon“ genau zur richtigen Zeit. Er ist im Tonfall leise, überlegt und differenziert. Dafür möchte man ihm seine überaus konventionelle Machart gern verzeihen. Unentschuldbar ist jedoch, dass man sich zeitweise durch eine schamlose Schleichwerbung für eine prominente Keksmarke auf die Rolle eines Empfängers von Reklamebotschaften reduziert fühlt. Und dass die Huldigung der zeitgenössischen Serien-, Blockbuster- und Social-Media-Jugendkultur zu inflationär ausfällt, um nicht als anbiedernd empfunden zu werden. Und selbst bei einer jugendfreien High-School-Dramödie hätte es zudem möglich sein müssen, den amourösen Gefühlen des Titelhelden zumindest eine klitzekleine Dosis sexuellen Begehrens beizumengen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2018)

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