"Kameramörder"-Regisseur: In jedem steckt ein Monster

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Robert-Adrian Pejo über seine Verfilmung des Glavinic-Romans: Manipulation, Grenzgänge, der „Todesstreifen“ und die Vertreibung aus dem Paradies.

„Die Presse“: Ihr Film „Der Kameramörder“ weicht in vieler Hinsicht radikal von Thomas Glavinics gleichnamiger Romanvorlage ab. Das Buch stellt sich ja eher über das Krimi-Genre, Ihr Film spielt mehr mit dessen Regeln.

Robert-Adrian Pejo: Den Stoff schlug Produzent Andreas Hruza vor, ich las erst dann das Buch mehrfach und war wie erschlagen von seiner Wucht. Zugleich suchte ich einen Angriffspunkt. Ich wollte die unglaubliche Gewalt, die darin vorkommt, nicht in dieser Form zeigen. Das perfide Spiel des Mörders: Er treibt die Kinder in den Tod, ohne überhaupt Hand anzulegen. Dieses Spiel lässt den Zuseher genauso an die Grenzen stoßen wie mein Spiel als Filmemacher mit bestimmten Erwartungshaltungen, die man an einen Thriller hat. Vermutlich werden manche auch verärgert sein, wenn sie den Film sehen und einen klassischen Thriller erwarten. Aber das soll mir recht sein, ich will auch, dass der Film polarisiert. Es gibt diese kleinen Manipulationen – der Film handelt eigentlich auch von Manipulation. Für mich war es eine Art Schachspiel: Mit den Kindern, mit der Prämisse und mit dem Zuseher, den ich emotional auf eine Ebene bringen will, wo er sich am Ende des Films dann auch Fragen stellt. Ganz prinzipiell: „Wie lebe ich, wie leben wir?“


Die protokollarische Ichform, die sprachliche Ironie im Buch sind nicht filmisch umsetzbar.

Pejo: Eine angemessene Übertragung zu finden, war eine der größten Herausforderungen: Die Adaption dauerte insgesamt zwei Jahre. Im Roman geht es auch sehr stark um Medienkritik, das wollte ich so nicht.


Im Buch steht da noch das Fernsehen im Zentrum. Man liest vor allem Teletext, das ist heute kaum mehr so vorstellbar. Im Film ist es näher an Internetkultur und YouTube-Videos.

Pejo: Zwischen Film und Buch verging fast eine Dekade, da hat sich viel geändert. Ich sprach auch mit Thomas darüber. Er meinte, hätte er den Roman heute geschrieben, hätte er natürlich diese Welt gezeigt, die ganz anders geworden ist. Auch daher wollte ich keinen Film über Medienkritik machen.


Auf eine gewisse Art ist das ja mittlerweile auch eine Banalität geworden.

Pejo: Genau. Darum wollte ich es aussparen und mich auf den inneren Konflikt konzentrieren. Ich fand meinen Ausgangspunkt, als ich ein Interview mit Thomas las, in dem er davon redete, dass in jedem Menschen ein Monster steckt. Und was die Medien in der Hinsicht machen, ist ja letztlich nichts anderes, als unser Bedürfnis zu bedienen. Das war für mich der Ausgangspunkt, die Kernaussage, und ich entscheid: Gehen wir dahin. Zu den dunklen Stellen, zu diesen Geheimnissen, die wir nicht kennen, zu dieser Beziehungslosigkeit. Es ging mir darum, ein Netzwerk zu stricken, auch im Glavinic'schen Sinne: Wie sich diese vier Menschen auf diesen Tanz einlassen. Ein Paar lebt im Paradies, der Besuch des anderen Paars bricht diese Idylle. Es endet eigentlich auch mit der Vertreibung aus dem Paradies.

Der Schauplatz ist da sehr beeindruckend: Ein Designerhaus am Neusiedler See.

Pejo: Das Buch spielt in der Steiermark, das wäre auch interessant gewesen. Wichtig war mir das archaische Umfeld: der Blick aufs Wasser, eine Umgebung in permanenter Ruhe. Die Natur als fünfte Person spiegelt auch den Seelenzustand der Leute wider. Die extrem harmonische Landschaft kann schnell zum total bedrohlichen Umfeld werden, etwa als Sonja in Panik ins Schilf läuft und völlig durchdreht. Da gibt es eigentlich keinen Grund, es ist mehr ein wesenhaftes Prinzip: Sie selbst ist sich der größte Feind.

Sprache und Bilder des Films sind sehr stilisiert. Wollten Sie eine Meta-Ebene einziehen?

Pejo: Ja, das Umfeld ist auch sehr märchenhaft. Und ich habe alle Hinweise auf örtliche Gegebenheiten weggelassen. Darum ist das Haus, das wir für den Film gebaut haben, so modern: Es sollte sein wie ein Aquarium.

Ihr Dokumentarfilm „Der Weg nach Eden“ zeigte einen Pathologen bei der Arbeit, daran erinnern grausliche Details im Roman. Ihr Zugang im „Kameramörder“ ist ganz anders.

Pejo: Worum es mir immer geht, sind Menschen, die nahe an einer Grenze stehen – wie dieser Seziermeister und Underground-Künstler Joe Coleman in meinen Dokumentarfilmen. Auch die Menschen hier: Ich mag Extreme an Charakteren, Positionen, die einen anderen Einblick auf unsere Welt geben. Mein Film „Dallas Pashamende“ spielte auf einer Müllhalde: ein Mikrokosmos, der eine Perspektive nach außen entwickelt.

Die Müllhalde ist ein krasser Gegensatz zur prächtigen Natur im „Kameramörder“.

Pejo: Wenn man so will, ist da die menschliche Müllhalde hinter der schönen Fassade. Kim Ki-duks Film „The Isle“ war ein Einfluss, auch bei der Schauplatzwahl des Neusiedler Sees. Und ich wollte einen Österreicher, der nach Ungarn zieht und dort sein Haus baut. Da kommt ein Hintergrund dazu: Der Film spielt im Grenzland, im sogenannten „Todesstreifen“. Das wirkt vielleicht aus österreichischer Perspektive nicht so bedeutsam, aber aus ungarischer, weil so viele Menschen da drin umgekommen sind.

AUF EINEN BLICK

Robert-Adrian Pejo(*1964, Arad, Rumänien) wuchs in Feldkirch auf. Er inszenierte zahlreiche Spiel- und Dokumentarfilme, etwa „Der Weg nach Eden“ (1995) und „Dallas Pashamende“ (2005), dazwischen auch für TV-Serien wie „Tatort“.

Pejos Krimi „Der Kameramörder“ wurde am Mittwoch in Kooperation mit der „Presse“ vorgestellt, ab Freitag ist er im Kino. [Thimfilm]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2010)

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