„Utøya 22. Juli“: Der Mythos vom „totalen Film“

(c) Agnete Brun
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Erik Poppes Film „Utøya 22. Juli“ stellt die Breivik-Anschläge in Norwegen in einer ungeschnittenen Einstellung nach, um die Gefühle der Opfer besser nachempfindbar zu machen. Was kann diese Art der „Immersion“ wirklich bewirken?

Atemlos stolpert die junge Frau durch den Wald. Ihr Blick springt auf verzweifelter Suche nach Unterschlupf hin und her. Während im Abseits dumpfe Schüsse fallen, geht sie hinter einer Böschung in Deckung. Fast könnte man auf die Idee kommen, sie flüchte vor der Kamera, die nie von ihrer Seite weicht – ob sie hinter Klippen kauert oder in einem Zelt den Atem anhält, als draußen der drohende Schatten des Killers vorbeihuscht. Doch wir sind hier nicht in einem Horrorfilm, zumindest nicht im klassischen Sinn – das Albtraumszenario entstammt Erik Poppes „Utøya 22. Juli“, einem Reenactment des rechtsextremen Anschlags auf eine Jugendorganisation der norwegischen Sozialdemokraten im Jahr 2011.

90 Minuten lang folgt der Thriller einer fiktiven Schülerinnenfigur, die auf der titelgebenden Insel um ihr Leben läuft, in Echtzeit und ohne Schnitt. Als Zuschauer bleibt man immer nah am Geschehen: So nah, als wäre man selbst Teil davon. Darf man das überhaupt so im Kino zeigen? In Interviews betont der Regisseur: Man dürfe nicht nur, man müsse. Es sei ihm darum gegangen, die Situation möglichst „wahrheitsgemäß“ wiederzugeben, nur so könne man das Publikum an die „Gefühle derer heranführen, die diese schrecklichen Ereignisse durchleben mussten“. Der Film soll also nicht bloßes Fenster zu fremden Realitäten sein, sondern direkt in sie hineinversetzen.

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