"Ein Prophet": Am Gefängnisfilm gescheitert

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Jacques Audiards "Ein Prophet" ist ein einziges Ringen nach Anerkennung und Gültigkeit. Der Film scheitert an seiner dramaturgischen Zersäbelung.

Es wiegt alles schwer in diesem Film: knöcheltief steckt Jacques Audiards Gefängnisdrama Un prophète (Ein Prophet) im Diskursmorast, droht trotz der mäandernden, agilen Bilderwelten, eingefangen von Kameramann Stéphane Fontaine, zu versinken in der Bedeutungslosigkeit der Überbedeutung. Der Anfang sieht sich noch vielversprechend an: Der 19-jährige Malik (intensiv: Tahar Rahim), fescher Jungfranzose mit maghrebinischen Wurzeln, verbüßt eine Haftstrafe und wird zum Laufjungen des Mafiapaten César Luciani (imposant: Niels Arestrup). Für ihn spioniert er die muslimischen Clans aus, fädelt auf Freigängen Deals ein und erarbeitet sich darüber Zugang zu Bildungsmaterialien. So wird aus dem analphabetischen Straßenjungen ein des Lesens und Schreibens mächtiger Entrepreneur im kriminellen Zwielicht, ein neuer Bürger, der über die alten, tradierten Ordnungen hinauswächst.

Zweieinhalb Stunden gibt ihm Audiard – währenddessen schleppt der Regisseur mehrere Dutzend unzuordenbare Nebenfiguren durchs Bild, die keinerlei dramaturgische Funktion aufweisen, bis darauf, dass sie ein multiethnisches Gegenwartsfrankreich beweisen müssen. Die gesellschaftspolitische Achse der ansonsten klassisch gehaltenen Handlungsfäden verstopft die dramaturgischen Arterien des Drehbuchs. Der Gefängnisfilm setzt sich per Definition mit einem vom Gesellschaftsrest abgekoppelten Mikrokosmos auseinander, in den noch jeder Filmemacher zeitgeistige Problematiken hineingespiegelt hat.

Platzhalter im akademischen Planspiel

Audiard ringt aber in jeder Sekunde um Anerkennung und Gültigkeit, scheint außerstande, sich konventionellen Genremechaniken zu überantworten: Für die Hauptfigur Malik entwickelt man keine Gefühle. Er ist nur Platzhalter, eine wandelnde These in Audiards akademischem Planspiel.Un prophète scheitert nicht an der Autorenhandschrift, sondern an der dramaturgischen Zersäbelung des Gefängnisfilms: ein Blick von Steve McQueen in Papillon hat mehr emotionales Gewicht, erzählt einem Profunderes über innergesellschaftliche Dynamiken und Spiritualität als alle 150Minuten dieses tagesaktuell aufgemascherlten Films. Und außerdem macht er Spaß.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2010)

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