"La Vida Loca - Die Todesgang": Sterben für die 18

Vida Loca Todesgang Sterben
Vida Loca Todesgang Sterben(c) Christian POVEDA (mention Obliga (Christian POVEDA (mention obliga)
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Monatelang begleitete Filmemacher Christian Poveda Mitglieder der Jugendgang Mara 18 und zeichnete ein beklemmendes Porträt einer Jugend ohne Zukunft. "La Vida Loca", nun auf DVD, kostete ihn das Leben.

Schrecken ist oft das, was man nicht sieht. Am 2. September 2009 war Regisseur Christian Poveda in seinem Auto in Tonacatepeque nördlich von San Salvador, der Hauptstadt von El Salvador, unterwegs, als ihm jemand vier Mal in den Kopf schoss. Eine regelrechte Hinrichtung. Es war jemand aus einer Jugendgang, glaubt die Polizei. Vielleicht sogar aus der Gang, mit der Poveda monatelang seinen Dokumentarfilm "La Vida Loca" drehte, deren Mitglieder er zum Gericht begleitete und sehr oft auf den Friedhof. Er hatte ihre Kämpfe gesehen, ihren Mut, ihre Angst, ihr Scheitern. Aber offenbar die unmittelbare Gefahr unterschätzt, in der er sich selbst befand.

Poveda wollte eine Fortsetzung für "La Vida Loca" drehen, den Film, in dem man seinen eigenen Tod nicht sieht. Der Film, der im Schatten des Todes seines Regisseurs steht. Als wäre er nicht erschütternd genug. Denn er zeigt viel: Ein Leben zwischen blindem Hass, Hoffnungslosigkeit und Tod. Sehr viel Tod.

Scheitern an der Resozialisierung

Mit einem Begräbnis beginnt "La Vida Loca", übersetzt "Das irre Leben", das Motto der Gang. Fünf Gänge auf den Friedhof werden es insgesamt sein, sie alle folgen einem Ritual: Die Beschwörung des Glaubens geht einher mit der Beschwörung der eigenen Gemeinschaft. "Die 18 wird ewig leben", beten die Jugendlichen gemeinsam und recken die Hände zum Gang-Gruß in die Luft. Sie bekommen keine Namen, keine Stimme aus dem Off erklärt, wer den nun "El Moreno" ist und "Nino" oder wie sie wirklich heißen. "Jeder, der hier arbeitet, hat nur einen Namen: Den der Gang", sagt der Chef einer Bäckerei, eines Resozialisierungsprojekts, das zum Scheitern verurteilt ist. Ohne Gehalt hält die Gangmitglieder nichts von der Straße fern. "Was ihr da draußen macht, ist mir egal", sagt der Initiator des Projekts. Später wird er selbst wegen Mordverdachts verhaftet. Wohin das Geld aus dem Verkauf der Backwaren geht, wird nicht aufgeklärt.

"Wie bezahlst du deine Rechnungen?" fragt ein Arzt eine junge Frau mit nur einem Auge. "Ich helfe jemandem beim Verkaufen", antwortet sie. Die 25-Jährige möchte sich eine Prothese anfertigen lassen, doch in der Augenhöhle steckt immer noch das Projektil. Nach der Operation möchte sie es ihrer Mutter schenken. Sie selbst hat vier Kinder. Einen Freund oder Ehemann gibt es in ihrem Leben nicht. Es ist eine Welt ohne Väter, in der die Jugendgang lebt. Eine fehlende Familie zu ersetzen, das ist die Stärke der Gang: "Die Bruderschaft muss die oberste Tugend der Gang sein", sagt ein Mitglied. "Wenn du nichts hast, hat dein Bruder nichts."

Tätowierte Körper

Eine Gemeinschaft mit lebenslanger Kampfbemalung. Männer und auch junge Frauen haben sich die Zahlen "18" tätowieren lassen, auf Arme, Beine, Dekolletes, auf die Stirn oder überhaupt über das ganze Gesicht. So gezeichnet, kann man sich nirgends mehr verstecken, schon gar nicht vor dem Erzfeind, der Konkurrenzgang Mara Salvatrucha. Die 18 im Gesicht ist das ultimative Zeichen des Mutes und der Zugehörigkeit zur Gang. "Du bist nicht tätowiert. Das ist gut", sagt ein Pfarrer in einer Besserungsanstalt zu einem der Jugendlichen. Genauso gut könnte er sagen: Im Gegensatz zu den anderen hast du noch eine Chance.

Tätowiert wird viel in dem dem Revier der Gang, einem elenden Vorort von San Salvador, voll vergitterten Substandard-Häusern. Und gekifft. Ihr eigentliches Geschäft, Drogenhandel, Prostitution, Diebstahl und Schutzgeld-Erpressung, zeigt der Film nur am Rande: Einmal zerteilen und verpacken die jungen Männer weiße Pulver-Blöcke, ein anderes Mal holt die Polizei die jungen Frauen ab. Auf der Ladefläche sitzen sie dann neben einem Berg von Fernsehern und Videorekordern.

"Willkommen in der besten Gang der Welt"

Wenn drei Schüsse aus dem Off erklingen, ist das Povedas Signal für den Tod. Dann sieht man zu, wie ein Erschossener in einen schwarzen Plastiksack gepackt und auf die Ladefläche eines Wagens gehievt wird. Es gibt einen guten Grund, warum der Film ab 16 ist. "Der Mistkerl hat mich verlassen", schreit eine junge Frau, außer sich vor Trauer. Doch es kommen immer wieder Mitglieder nach. Eine kleine Prügelei dient ihnen als Initiationsritus und dann heißt es: "Willkommen in der besten Gang der Welt".

Armut und Bürgerkrieg

El Salvador weist eine der höchsten Kriminalitätsraten der Welt auf. Von 1980 bis 1991 wütete dort ein Bürgerkrieg. Man schätzt die Opferzahl auf 70.000, die meisten davn waren Zivilisten.

Die Mara 18 wurde in den USA gegründet und nach der 18th Street in Los Angeles benannt. Die Mara Salvatrucha gründete sich ebenfalls in Los Angeles. Mit der Abschiebung vieler straffällig gewordener Jugendlicher aus den USA in ihre Heimatländer importierten sie dann die Banden in das zentralamerikanische Umfeld aus Armut und Bürgerkrieg.

Die DVD "La Vida Loca - die Todesgang" ist am 6. Mai erschienen. Die Musik zu Christian Povedas Film, darunter der Titeltrack "La Vida Loca" stammt von Sebastian Rocca

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