Jeff Bridges: Der Dude trinkt wieder

Jeff Bridges Dude trinkt
Jeff Bridges Dude trinkt(c) AP (Matt Sayles)
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Für das Countrydrama "Crazy Heart" bekam Jeff Bridges den längst fälligen Darsteller-Oscar. Seine gesamte Laufbahn stand im Zeichen von Lässigkeit und natürlichem Auftreten. Porträt einer Ausnahmefigur.

In „The Big Lebowski“ nennen sie ihn einfach nur den „Dude“: Jeff Bridges spielt diesen Althippie, der zu Beginn mit Bademantel, Bermudashorts und Plastikschlapfen durch den Supermarkt schlurft, auf der Suche nach Milch, die er dann gleich vor dem Regal genießerisch kostet. Lebowski, der Dude, will eigentlich nur seine Ruhe. Aber nach einer blöden Verwechslung wird er in eine verwirrende Gangstergeschichte verwickelt, in der er die absurdesten Schicksalsschläge mit ungerührter Lässigkeit erträgt. „Der Dude packt das“, heißt es in der deutschen Fassung, aber im Original klingt das wesentlich schöner: „The Dude abides.“ Der Dude besteht fort.

Irgendwie kommen da Figur und Schauspieler zur Deckung: Jeff Bridges hat als Lebowski nicht nur buchstäblich die eigenen Schlapfen an, auch seine persönlichen Erinnerungen an die Hippie-Ära würden dem Dude gut anstehen: „Ich bin froh, die Sixties überlebt zu haben. Sie waren gefährlich. Und lustig. Man lernt aus allem im Leben.“

Bridges hat seine Laufbahn ähnlich unbekümmert verfolgt, wie Lebowski durch seine komischen Abenteuer stolpert: Eine eigene „Star Persona“ hat er nie kreiert, weil ihn das auf bestimmte Rollen festlegen würde. Überhaupt ist sein Zugang zur Rollenwahl recht ungewöhnlich. „Ich wähle meine Projekte aus, indem ich mir wirklich Mühe gebe, nicht zu arbeiten“, hat Bridges erklärt: Der persönliche Aufwand sei einfach zu groß. „Bis sie mir ein Angebot machen, das ich nicht ablehnen kann: entweder ein unglaubliches Drehbuch, das einen richtig anspringt, oder die Chance, mit jemand Besonderem zu arbeiten. Oder ich kriege einfach phänomenal viel Geld...“ Die Lässigkeit hat seiner Karriere nicht geschadet: Bridges besteht fort.

Abgehalfterter Countrysänger. Heuer hat er den überfälligen Oscar – für die einfühlsame Darstellung eines abgehalfterten Countrysängers im Drama „Crazy Heart“ – bekommen und, wie stets, kein großes Aufheben darum gemacht. Dieser Erfolg kam nicht überraschend. Der allseits beliebte Bridges war zuvor viermal für den Oscar nominiert gewesen, aber immer leer ausgegangen. Diesmal überragte er schlicht die Konkurrenz.

„Crazy Heart“, das Regiedebüt seines Schauspielkollegen Scott Cooper, das nun doch noch in Österreich anläuft (siehe Kritik unten), wurde ganz auf den Hauptdarsteller zugeschnitten: „Keiner spielt so intuitiv und natürlich wie Jeff Bridges“, sagt Cooper. Es hat sich ausgezahlt: Die Selbstverständlichkeit, mit der Bridges die Figur verkörpert, sorgt für glaubhafte Intensität, auch in Szenen, da das Drehbuch etwas konstruiert wirkt. Die unangestrengte physische Gestaltung seiner Charaktere war schon immer eine seiner Stärken: Allein die Art, wie er sich auf einen Barhocker hievt, macht den inneren Schmerz des Countrysängers spürbar, und wie der aufgedunsene Bauch über den Gürtel hängt, erinnert an frühere Auftritte, bei denen Bridges bloß durch den zwanglos präsentierten Körper Entscheidendes über die Figur offenbart, etwa im Independent-Drama „American Heart“ von 1992, wie „Crazy Heart“ ein vom Schauspieler mitproduziertes Herzensprojekt. Bei den Auftritten in „Crazy Heart“ singt Bridges auch selbst: Die Musik liegt ihm am Herzen. Im Kino hat er das etwa 1989 in der Loungemusiker-Romanze „Die fabelhaften Baker Boys“ mit seinem Bruder Beau und Michelle Pfeiffer gezeigt. Jeff Bridges ist aber auch Mitbesitzer des Plattenlabels Ramp Records, er hat dort im Jahr 2000 ein Folk-Rock-Album namens „Be Here Soon“ veröffentlicht.

Für Malerei, Fotografie, Musik hatte er immer schon ein Faible. Songs von ihm gibt es aber nicht nur in Filmen zu hören, in denen er mitspielt: Schon 1969 sang er für den Soundtrack der Liebesgeschichte „John und Mary“ mit Dustin Hoffman und Mia Farrow. Dass er sich schließlich für das Schauspiel entschied und es gar zum untypischen Star brachte, begründet Bridges jedoch gewohnt nonchalant: „Tatsächlich bin ich das Produkt von Nepotismus.“

Schauspielerfamilie. Denn Bridges entstammt einer Schauspielerfamilie: Vater Lloyd Bridges, erfolgreich in Kino und Fernsehen, ging dem Darstellerberuf mit ansteckendem Enthusiasmus nach – und ließ Sohn Jeff in einigen seiner Serien mitspielen, beginnend 1958 mit dem TV-Hit „Abenteuer unter Wasser“. Gerade einmal neun Jahre alt, war es schon das zweite Mal, dass Jeff Bridges vor der Kamera stand: 1950, da war er noch keine sechs Monate, hielt ihn Aktrice Jane Greer, eine Freundin der Familie, in einer Szene des Dramas „Auf Bewährung freigelassen“ im Arm. In seiner Teenagerzeit galt Bridges als schwierig, hatte Probleme mit Marihuana und anderen Substanzen, aber auf Bühnentournee mit seinem Vater lernte er „alle Grundlagen des Schauspiels, vor allem dieses Ding, ohne Worte auszukommen“. Tatsächlich ist Bridges einer von wenigen Darstellern, die so gut auf andere reagieren wie sie agieren. Dabei stapelt er noch konsequent tief, wo es um sein Selbstverständnis als Charakterschauspieler („irgendwie ein überflüssiger Begriff“) geht: „Ich zähle darauf, dass mir der Regisseur hilft, über mich hinauszuwachsen. Ich habe keine Ideen. Ich tue mein Bestes, um der Meinung des Filmemachers mehr Bedeutung beizumessen als meiner eigenen.“

Erste Oscar-Nominierung 1972. Das klingt frech angesichts einer Filmografie mit Werken von einem außergewöhnlich hohen Qualitätsstandard, aber es ist nur aufrichtig: Als Bridges noch daran zweifelte, ob die Darstellerei wirklich seine Berufung sei, hatte er schon eine Reihe von Filmen vorzuweisen, von denen andere nur träumen können. Etwa Peter Bogdanovichs schöne, schwarzweiße Kleinstadtelegie „Die letzte Vorstellung“, die Bridges 1972 die erste Oscar-Nominierung (als Nebendarsteller) eintrug. Im selben Jahr lieferte er eindrucksvolle Porträts junger Verlierer in John Hustons desillusioniertem Boxerdrama „Fat City“ und Robert Bentons Spätwestern „In schlechter Gesellschaft“.

Das Schlüsserlebnis für Bridges kam aber erst 1973 bei John Frankenheimers epischer Eugene-O'Neill-Verfilmung „The Iceman Cometh“: Da arbeitete der Jungschauspieler mit Altmeistern wie Lee Marvin, Frederic March und Robert Ryan. „Das war wie eine Erleuchtung“, erinnert er sich: „Mir wurde klar, dass ich das wirklich professionell machen konnte – und zwar für den Rest meines Lebens.“ Besonders einschneidend war eine Erfahrung: „Ich spielte vor allem mit Bob Ryan. Während bei einer besonders intensiven Szene das Licht nachjustiert wurde, fielen mir diese Schweißpfützen auf dem Tisch vor ihm auf. ,Bob, nach all diesen Jahren bist du immer noch nervös?‘, fragte ich. Und er antwortete: ,Ich könnte nicht Angst haben, wenn ich nicht Angst hätte.‘“

Die Angst als Werkzeug. Die Angst hat auch er noch immer, erzählt Bridges in Interviews: „Sie ist notwendig, um die andere Seite zu erforschen – Mut und positive Gefühle.“ Merkwürdigerweise ist ihm das aber nie anzumerken: In allen seinen Rollen strahlt er natürliche Lässigkeit aus. Ob als junger Partner Clint Eastwoods in Michael Ciminos wunderbarem Roadmovie „Die letzten beißen die Hunde“ (1974), als Freund des verbitterten Vietnam-Veteranen in Ivan Passers unterschätztem Drama „Cutter's Way“ (1981), als Außerirdischer in John Carpenters bestechendem Fantasyfilm „Starman“ (1984), als Auto-Visionär in Francis Ford Coppolas „Tucker“ (1989) oder als Westernikone in Walter Hillsbrechtischem Genre-Meisterstück „Wild Bill“ (1995) – Bridges ist ein Erbe von Robert Mitchum, allerdings ohne dessen beiläufige Coolness und mit einem wesentlich ruhigeren Privatleben: Seit 1977 ist Bridges glücklich verheiratet.

Seine Filme sieht Brigdes genauso entspannt: Wenn einer davon im Fernsehen läuft, sei das für ihn, als schaue er in alte Homemovies rein, weil er sich nur an die Umstände bei den Dreharbeiten erinnere. Die Ausnahme ist der Kultfilm, mit dem er 1998 neue Fan-Schichten erschlossen hat: „Bei ,The Big Lebowski‘ kann ich einfach nicht abdrehen. Mensch, das ist wie bei ,Der Pate‘: eine Art Meisterwerk.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2010)

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