DiCaprio: "Filme haben etwas Therapeutisches"

DiCaprio Filme haben etwas
DiCaprio Filme haben etwas(c) Warner
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Leonardo DiCaprio ist einer der erfolgreichsten Schauspieler der Gegenwart. In seinem neuen Film "Inception" geht er auf die Jagd nach Träumen. Im Interview mit der "Presse am Sonntag" spricht er über seine eigenen Träume.

Im Hotel Dorchester am Londoner Hyde Park trafen wir den Halbdeutschen aus Hollywood – einen der besten Schauspieler unserer Zeit. Leonardo DiCaprio sah mit dunklem Jackett, grauer Hose und offenem blauen Hemd umwerfend gentlemanlike aus. Trotz des klassischen Outfits sah man ihm den Schalk in den Augen an – „Leo“ war bester Laune. Das lag vielleicht an dem sensationellen Start, den sein neuer Film „Inception“ gerade in den USA hingelegt hatte. In Chris Nolans Science-Fiction-Drama geht es um Träume, wie echt sie sich anfühlen und wie sie manipuliert werden können. Ein hoch kompliziertes, aber faszinierendes Filmkonstrukt.

„Inception“ erinnert in seiner Vielschichtigkeit und Komplexität an „The Matrix“. Haben Sie das Drehbuch auf Anhieb verstanden?

Leonardo DiCaprio: Ich habe erst versucht, mich so wie immer auf den Dreh vorzubereiten, habe zum Beispiel Freuds „Traumdeutung“ gelesen – aber dann habe ich rasch gemerkt, dass das nichts bringt. Ich musste einfach viel Zeit mit Regisseur Chris Nolan verbringen, der sich das Ganze ausgedacht hatte. Nachdem wir zwei Monate damit zugebracht hatten, über meine Hauptfigur zu reden, ging es.

Können Sie die Geschichte kurz zusammenfassen?

Ein Mann begibt sich auf eine Reise, die ihn und sein Leben völlig verändert. Je tiefer er in das Unterbewusste anderer Menschen dringt, desto näher kommt er seiner eigenen Wahrheit und erkennt, was er so lange unterdrückt hat. Chris und ich haben daher eine Art Psychotherapie für meine Figur entwickelt. Mit Chris zu arbeiten war sowieso fantastisch. Dieser Mann macht Filme wie „The Dark Knight“, riesige Hollywood-Produktionen mit hoch technischem Schnickschnack, die aber gleichzeitig existenzielle, komplexe Themen anschneiden. Was kann man mehr wollen?

Wenn man Filme macht, ist das ein bisschen, als würde man Träume wahr werden lassen?

Das kann man sagen! Als Schauspieler kann ich viele Dämonen durch meine Filme ausschalten, glaube ich. Ich habe in letzter Zeit schon ein paar ziemlich intensive Typen gespielt und bin davon überzeugt, dass Filme für mich etwas Therapeutisches haben. Man konzentriert sich fünf, sechs Monate auf ein Thema, schaltet das eigene Leben in der Zeit aus und konzentriert sich auf eine andere Person.

Welcher war der letzte Traum, an den Sie sich erinnern?

Ich habe neulich geträumt, ich könnte die Umwelt kontrollieren. Und dann habe ich versucht, den Traum vom Bewusstsein aus zu beeinflussen – was wir in „Inception“ tun! Unser Film hat mich da also doch sehr beeindruckt.

Was war Ihr größter Traum als Kind?

Ich wollte schon damals Schauspieler werden. Als ich dann noch erfuhr, dass man damit sogar Geld verdienen kann, war ich völlig fassungslos. Dieser Traum hat sich mehr als erfüllt. Ich wäre selig gewesen, mal fünf Minuten als Statist in einem Scorsese-Film mitzuerleben, und nun waren es schon vier Hauptrollen.

Sie haben schon mit den größten Regisseuren unserer Zeit gearbeitet. Haben Sie alle etwas gemeinsam, das Sie auch inspiriert hat?

Ja, das haben sie. Und das ist etwas, was ich schon als junger Kerl meine eigenen Schauspielhelden gefragt habe: „Was genau macht einen Regisseur zu einem so großen Regisseur? Was macht er anders?“ Die Antwort klingt simpel: Sie bereiten sich vor. Sie bereiten sich über Monate, manchmal sogar Jahre im Voraus vor. Sie wissen genau, was sie wollen, wenn sie am Set auftauchen. Zusätzlich haben sie die Flexibilität, sich überraschen zu lassen, von etwas Unvorhergesehenem oder auch von der Idee eines Schauspielers. Man muss als großer Regisseur also ein Kontrollfreak sein, aber dazu noch flexibel. Das ist für mich der rote Faden, den ich bei all meinen großen Regisseuren gefunden habe.

Ist Ihre Leidenschaft für Filme in den 20Jahren im Beruf noch größer geworden, oder sind Sie auch mal für kurze Zeit satt?

Der Spaß ist noch immer so groß wie zu Beginn. Wenn ich überlege, dass ich mal keine Ahnung von diesem Metier hatte und so weit gekommen bin, bin ich schon irrsinnig stolz.

Sie sind 35, aber bereits seit 20Jahren im Filmgeschäft. Denken Sie gern an Ihre Anfänge zurück?

Das war die Zeit der großen Veränderungen in meinem Leben. Ich war überglücklich, dass ich die Chance bekam, in „Gilbert Grape“ mit Johnny Depp und Juliette Lewis arbeiten zu dürfen. Diese Rolle als zurückgebliebener Junge war fantastisch, und Lasse Hallström als Regisseur hat mich einfach machen lassen, solch ein Vertrauen setzte er in mich. Ich werde fast wehmütig, wenn ich mir den Film heute anschaue. „Gilbert Grape“ und „This Boy's Life“ mit Robert De Niro nehmen einen ganz besonderen Platz in meinem Leben ein. Ich fühle mich bis heute geehrt, dass ich dabei sein durfte.

Ihre deutsche Mutter begleitet Sie oft zu Premieren. Ist sie Ihr Anker zur Realität, wenn Sie Star-Pflichten zu erledigen haben?

Ach, so dramatisch sehe ich das gar nicht. Ich glaube einfach, dass es ihr großen Spaß macht mitzukommen. Die Europa-Touren mag sie besonders, zumal sie in Deutschland ja Verwandte hat. Sie jagt durch die Städte, ist dauernd unterwegs – das genießt sie. Und wenn ich die wunderbaren Seiten meines Berufs mit ihr teilen kann, mache ich es gerne – zu jeder Gelegenheit, die sich mir bietet.

Was verbindet Sie generell mit Deutschland?

Eine Menge, immerhin bin ich der Sohn meiner Mutter. Sie kam als Einwanderin in die USA und besaß so gut wie nichts. Sie hat hart gearbeitet, um sich hier ein Leben aufzubauen. Aber trotzdem hat sie es geschafft, mir alles zu geben, was ich gebraucht habe. Sie hat ihre Kraft buchstäblich in mich investiert. Durch sie bekam ich die Chance, das zu werden, was ich bin.

Sie haben hart, aber auch erfolgreich daran gearbeitet, Ihren jungenhaften Charme aus „Titanic“ abzulegen. Verfolgt der Vorwurf des „Milchbubis“ Sie noch manchmal?

„Titanic“ war vor „Avatar“ der erfolgreichste Film aller Zeiten. Angesichts dieser Tatsache war mir schon klar, dass ich von nun an machen kann, was ich will, dieser Film wird immer ein Teil von mir und meinem Image sein – bis in alle Ewigkeit. Wenn man eine lang anhaltende Zukunft in der Filmindustrie haben will und sich als Schauspieler in verschiedenen Rollentypen weiterentwickeln will, dann nimmt man so einen Film als große Ausnahme hin und geht danach einfach seinen Weg weiter. Das ist alles. Aber ich bin nach wie vor stolz auf diesen Film, und dass er Geschichte geschrieben hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2010)

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