Barrymore: "Metaphorische Eier sind hart erarbeitet"

(c) AP (Chris Pizzello)
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Schauspielerin, Exkinderstar und "Hollywood-Überlebende" Drew Barrymore flucht nicht nur in ihrem neuen Film "Verrückt nach dir" - auch im Interview spricht sie frei von der Leber weg. Etwa über gespielten Telefonsex.

Erfolgsschauspielerin, Produzentin und seit Neuestem auch Regisseurin – Drew Barrymores Talent hat viele Facetten. Mit 35 ist das wilde Kind von einst, das im Alter von acht Jahren mit dem Kultfilm „E.T.“ zum Kinderstar wurde, heute eine One-Woman-Show, die jeden Aspekt des Filmgeschäfts genau kennt.

Im Privatleben bleibt der Langzeiterfolg noch aus. Nach zwei Kurzehen und einer lebhaften On-and-off-Beziehung zu ihrem Kollegen Justin Long ist Drew jetzt wieder Single. In „Verrückt nach dir“ kann man das Expaar zusammen erleben.

Wie war es es, in einem Film zu fluchen, versaut zu reden und Telefonsex haben zu dürfen?

Drew Barrymore: Das war verdammt befreiend! Ich konnte mal normal reden, ohne auf eine Altersbeschränkung zu achten oder politisch korrekt sein zu müssen. Eben wie eine 35-Jährige, die mit Freundinnen redet...

Es gibt eine Regel, die besagt, dass ein Leinwandliebespaar nicht auch im echten Leben ein Paar sein sollte. Was halten Sie davon?

Das Leben ist ein Abenteuer, man sollte alles ausprobieren. Justin und ich haben einfach eine gute Chemie, und ich dachte, wir beide könnten dem Film eine große Portion Ehrlichkeit mitgeben, weil wir in puncto Gefühle so einiges durchgemacht haben. Davon profitiert doch ein Film!

Sie sind beinahe 30Jahre im Geschäft. Können Sie es überhaupt nachempfinden, wenn jemand wie Ihre Filmfigur mit 30 immer noch nach ihrem Platz im Leben sucht?

Ich bin mit sieben zu diesem Beruf gekommen, anderen passiert das eben erst mit 38. Das ist Schicksal. Aber man sollte nie aufgeben, sondern es immer wieder versuchen. Die Dinge passieren nicht wie durch Zauberhand. Im Gegenteil: Man muss extrem viel Disziplin und Sorgfalt aufbringen. Man muss seine Hausaufgaben machen und fest an sich und seinen Traum glauben. Man muss bereit sein, sich dafür umzubringen. Aber zieh dabei niemanden über den Tisch, sonst kommt das schlechte Karma zu dir zurück und beißt dich in den Arsch!

Wo haben Sie Ihren Sinn für Disziplin her? Ihre Kindheit war ja nicht sehr strukturiert.

Manchmal ist es so, dass man das, was man nicht hatte, irgendwann von allein zu einem kommt. Dann stellt man fest, wie sehr man es bislang in seinem Leben vermisst hat.

Was hat Ihnen Ihr Selbstvertrauen gegeben?

Meine metaphorischen Eier habe ich mir hart erarbeitet. Ich finde, man kann nicht zum Casting gehen und sagen: „Na ja, so in etwa habe ich eine Ahnung, was ich hier mache.“ Ich würde alles tun, um für den Job perfekt vorbereitet zu sein: Nächte und Wochenenden durcharbeiten, bis ich alle Details kenne. Ich lese etwa viel Zeitung, um immer gut informiert zu sein und auch tiefere Gespräche führen zu können.

Also waren Sie gar kein Prinzesschen, das in der magischen Filmwelt aufwuchs,...

Nein, gar nicht!

...sondern eher eine Überlebende, die weiß, wie schwierig es ist, in Hollywood zu überleben.

In dem Wort überleben finde ich mich eher wieder als in der Prinzessin.

Hat das auch mit den Versuchungen wie Alkohol und Drogen zusammen?

Trinken Sie nichts, wenn Sie einen Scheißtag gehabt haben? Im Alter von zwölf ist das natürlich extrem skandalös. Jeder macht mal eine raue Zeit durch, nur dringt das bei den wenigsten an die Öffentlichkeit. Den Luxus hatte ich nicht. Aber es war irgendwie befreiend, dass ich nie jemandem vormachen musste, dass ich perfekt bin.

Haben Sie in Liebesdingen heute eine abgeklärtere Einstellung als in jungen Jahren?

Ach, ich befinde mich gerade an dem Punkt, wo ich das Gefühl habe, nicht sehr viel über die Liebe zu wissen. Mit 20 glaubt man, dieses oder jenes zu wissen, man ist total idealistisch. Mit 30 ist man schon realistischer. Mit 35 kann ich nur berichten, dass ich keine der großen Antworten parat habe.

Glauben Sie noch an das Märchen von der ewigen großen Liebe?

Ich habe keine Ahnung, was passieren wird und wie. Die Zukunft ist wie Wasser, das einem durch die Hände rinnt, man kann es nicht fassen. Die Vergangenheit ist etwas, das man feiern muss und von dem man lernen kann. Aber das Einzige, was uns für unser Tun zur Verfügung steht, ist die Gegenwart. Und gegenwärtig bin ich etwas verwirrt. Aber nicht zynisch.

Im Beruf wissen Sie, wo Sie hinwollen: Da haben Sie vor Kurzem mit „Whip It!“ Ihre erste Regiearbeit hingelegt. Werden Sie von nun an öfter hinter der Kamera stehen?

Ja! Ich reagiere richtig sauer, wenn mich jemand fragt, ob das eine einmalige Laune gewesen sein könnte. Ich habe mein ganzes Leben lang genau darauf hingearbeitet. Das war kein Versehen.

War der Name Barrymore, der für eine große Filmdynastie steht, für Sie eher ein Türöffner oder ein Hindernis?

Ich bin stolz, zu dieser verrückten Sippe von Außenseitern und Verrückten zu gehören. Das hat mir aber keine Türen geöffnet, weil sie einer anderen Generation angehörten oder schon verstorben waren. Ich bin mit meiner allein erziehenden Mutter in West Hollywood aufgewachsen. Da gab es keine silbernen Löffel oder Türöffner, nur weil ich eine Barrymore bin. Aber später habe ich mir zum Ziel gemacht, unbedingt unserem Namen gerecht werden – und das voller Leidenschaft.

Umgeben Sie sich gern mit Schauspielern?

Die meisten meiner Freunde arbeiten zwar in der Filmindustrie, aber eher beim Make-up, als Kostümbildner oder in der Produktion. Sie kennen meinen Lebensstil, ohne Schauspieler zu sein. Ich bin einfach nicht so gepolt, dass jeder Freund bekannt oder berühmt sein muss. Solche Leute nenne ich „Starfucker“. Vor denen bin ich auf der Hut.

Könnten Sie sich ein Leben ohne Film überhaupt vorstellen?

Je älter ich werde, desto seltener denke ich, dass es bei allem um Leben und Tod geht. Sondern dass schon alles gut gehen wird – alles wird gut. Man muss sich nicht damit stressen, immer eine Extremerfahrung machen zu müssen, die wichtigste Erfahrung, die meiste Angst... oder dass alles vorbei ist, wenn mal was nicht so klappt. Ja, es kann alles im Nu vorbei sein – aber gerade deswegen schätze ich es, solange es da ist. Meine Reife sagt mir: Es wird immer etwas zu tun geben, es wird immer Menschen geben, die man lieben kann, Orte, die man sehen sollte, und andere Leben, die man noch leben kann. Ich habe heute viel weniger Ängste als früher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2010)

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