Michael Ostrowski: Volksheld

Schauspieler Michael Ostrowski über die entführte Elfriede Ott, über Sex, Drugs und Rock’n’Roll und wie sich ein Vorbild wie Maxi Böhm damit verträgt.

TIPP

Man kennt ihn aus Filmen wie „Contact High“ oder „Nacktschnecken“, der TV-Serie „Vier Frauen und ein Todesfall“ oder dem „Theater im Bahnhof“, in den Wiener Kammerspielen war er als Stripper in „Ladies Night“ zu sehen. Jetzt hat Michael Ostrowski (37), der Mann mit dem demonstrativ steirischen Zungenschlag, fürs Kino Elfriede Ott entführt. In Kürze spielt er im Grazer Schauspielhaus in Nestroys „Freiheit in Krähwinkel“. 

Ich habe gehört, dass Sie gern bei Interviews lügen – muss ich aufpassen?


Ich lüg ja nicht bösartig. Damals bei „Nacktschnecken“ haben wir beschlossen, wir lügen von vorn bis hinten, wenn blöde Fragen übers Nackertdrehen kommen. Irgendwann hat mich einer gefragt: Ihr wart sogar nackert im Supermarkt einkaufen? Und ich hab drauf gesagt: Jaja, ist alles richtig.

In „Die unabsichtliche Entführung . . .“ gibt es eine Tendenz zum Kalauer . . . Sie mögen den schlechten Witz ganz gern, oder?


Ich mag ihn, wenn er lustig ist, weil er schon so blöd ist. Das ist ein Konzept, das es immer gegeben hat. Zum Beispiel bei Monty Python. Auch der Helge Schneider macht doofe Witze und ich finde sie höchst intellektuell.

Sie beziehen sich gern auf Unterhaltungskünstler, die nicht unbedingt als modern gelten, wie Hans Moser, Maxi Böhm, Peter Alexander. Warum?

Wenn der Maxi Böhm auf die Bühne kommt, dann geht irgendwas ab. Das ist ein Talent, mit den Leuten von der Bühne aus in Komplizenschaft zu treten, das funktioniert auch über DVD noch. So irgendwie habe ich das auch im „Theater im Bahnhof“ gelernt. Das ist kein rein intellektuelles Theater und auch kein Bauernschwank, sondern Volkstheater mit Avantgardeanspruch und direktem Zugang zu den Menschen. Der Hans Moser und der Louis de Funès haben das gehabt. Auch der Gerhart Polt. Ich hab ihn gesehen bei einem Zeltfest vor 1400 Leuten, die Bauern und Arbeiter haben sich genauso abgeprackt wie der Herr Schulprofessor vom Nachbardorf. 

Louis de Funès und Hans Moser gehören ja dank Nachmittagsfernsehen zur Sozialisation der 30plus-Generation . . .


Voll. Das ist in einem drin. Wir sind damit aufgewachsen. Und irgendwie freu ich mich auch über diese Kultur. Das ist etwas, das uns was sagt und uns eine gemeinsame Vergangenheit gibt. Wir haben einmal mit dem Theater im Bahnhof sechs Moserfilme in sechs Wochen als Bühnenstücke gemacht. Die Leute waren aus dem Häusl. Da hab ich gemerkt, das Volkstheater hat eine große Tradition, da kann man aufbauen.

Und deswegen haben sich da auch Elemente in den Film geschummelt?


Ich hoff schon. Durch die Wahl der Frau Ott ist das da, auch durch die Musik vom Kollegium Kalksburg. Und die NestroyZitate. 

Was blieb eigentlich vom Kulturhauptstadtjahr 2003 in Graz?


Ich kann da nicht viel sagen, weil ich seit einiger Zeit nicht mehr so viel da arbeite. Aber es herrscht schon eher viel Enttäuschung darüber, was danach passiert ist. Ich seh es am TiB, das ist chronisch unterdotiert für das, was es leistet. Auf Dauer ist es irrsinnig schwer, immer am Existenzminimum zu sein. Wenn das TiB in Wien wäre, würde es eine ganz andere Basissubvention geben.

Wer wäre entführt worden, wenn die Ott nicht gewollt hätte? Waltraud Haas?

Ich glaub nicht, dass wir auf sie gekommen wären! Ehrlich gesagt gab es keinen Plan B.

Der (echte) Adoptivsohn von Elfriede Ott  muss den meisten Humor haben  . . .

Mir war wichtig, dass der Neffe im Film auch mit vorgehaltener Hand rülpst, wenn niemand im Raum ist, so vornehm ist der. Aber ich hab mich natürlich schon gefragt, wie reagiert ihr Umfeld darauf, wie wir ihr Leben beschreiben. Aber da hat keiner Anstoß genommen.

Sie werden oft gefragt, warum Sie meistens Loser und Antihelden spielen bzw. schreiben.

Mich interessieren Sex, Drugs, Rock’n’Roll mehr als Rosamunde Pilcher. Ich hab übrigens auch mitgeschrieben bei „Same same but different“, das war ein Liebesfilm, also was ganz anderes. Das wird nur nicht so wahrgenommen.

Die Menschen brauchen ihre Schubladen . . .

Ja, ist auch in Ordnung. Ich hupf eh raus.

Apropos Sex, Drugs, Rock’n’Roll – wird es einen dritten Teil nach „Nacktschnecken“ und „Contact High“ geben? Über Rock’n’Roll?

Ja, ich schreib grad. Wir sind draufgekommen, dass das
eigentlich die Trilogie des 20. Jahrhunderts werden könnte.

Sie hatten einen Lehrauftrag für Creative Writing für Architekten. Was haben Sie denen beigebracht?

Ich habe viel ausprobiert, auch Ecriture Automatique. Das ist Schreiben aus dem Unterbewussten, also ohne Nachdenken. Gemma gemma gemma, es darf nicht abgesetzt werden, nach ca. acht Minuten hört man auf. Was du da schreibst, kommt nicht aus dem Intellekt, das kommt woanders her.

Weil der Intellekt oft im Weg steht?

Ja, weil man immer glaubt, man muss recht gescheit sein und alles gut machen, das ist aber nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist, dass man ausdrückt, was aus einem selber kommt.

Bei der „Wahlgala“ zur Wahl in der Steiermark interviewen Sie traditionell Politiker. Ist das nicht das Frustrierendste, die sondern doch nur Phrasen ab?


Nein, weil ich frage nicht wie der typische Journalist, der auf einer Sachebene argumentieren muss. Einmal hab ich den Sigi Nagl (Bürgermeister von Graz, Anm.) vor dem Publikum am Telefon gefragt, wovon er geträumt hat, weil ich ihn aufgeweckt hab. Und er hat gesagt, von Lisa Rückert, das ist die Grünen-Chefin. Die Gespräche sind aussagekräftiger als die, bei denen eh schon jeder weiß, was kommt.

Ist das nicht überhaupt das Problem, warum die Menschen sich nicht mehr für die Politik interessieren, weil eigentlich jeder Politiker dasselbe sagt?

Ja, das ist der Punkt. Ich hab letztens bei der Seven-One-Media-Programmpräsentation moderiert. Und ich hab da ziemlich politische Witze gemacht, mit dem Aufhänger „Unschuldsvermutung“. Die gilt auch für die Programmmacher von Puls4, weil es wieder „Austria’s next Topmodel“ gibt und man den Mädels einredet, dass es klass ist, wenn man ausschaut wie die Lena Gurke. Andererseits gilt sie auch für die Politik. Und danach hat eine zu mir gesagt: Wieso machst du das politisch bitte, das ist doch unpassend? Es ist mir wurscht! Die erwarten, dass ich ein paar harmlose Witzchen mache. Es gibt keinen interessanten Diskurs mehr! Man prallt ab an Hülsen, die nichts bedeuten. Die muss man aushebeln auf einer anderen Diskussionsebene, diesen Nichtdiskurs darf man nicht gewähren lassen, das ist der Niedergang der Demokratie. So, jetzt hab ich auch noch was Gescheites gesagt . . .

Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott ab 1. 10. im Kino
www.ott-derfilm.at

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