Mark Zuckerberg: Ein "Nerd", der die Welt erobert

Mark Zuckerberg Nerd Welt
Mark Zuckerberg Nerd Welt(c) AP (Paul Sakuma)
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"Social Network" zeichnet ein unschönes Filmporträt des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg, eine klassische Geschichte von Betrug und Verrat. Das 26-jährige Wunderkind setzt sich mit einer Imagekampagne zur Wehr.

Ist das jetzt real?“, fragt Mark Zuckerberg seine Freundin Erica ungläubig in der Anfangsszene des Films „Social Network“, nachdem sie gerade in einem verrauchten Studentenlokal mit ihm Schluss gemacht hat, weil sie seine egozentrischen Ausschweifungen nicht länger erdulden mag. Traum und Wirklichkeit geraten dem Freshman, dem Uni-Neuling in Harvard, gleich zu Beginn gehörig durcheinander. Wie besessen fabuliert er, der jüdische Junge aus Long Island in Kapuzen-Sweater und Adiletten-Latschen, anno 2003 von der Welt der Reichen, Schönen und Mächtigen.

Regisseur David Fincher und sein Drehbuchautor Aaron Sorkin – ein Hollywood-Gespann erster Güte – porträtieren den Facebook-Gründer und Milliardär in ihrer recht konventionell gestrickten Chronik der faszinierendsten Erfolgsstory des vergangenen Jahrzehnts als skrupellosen Aufsteiger und sozialen Autisten. Zunächst setzt ihr Protagonist alles daran, Einlass in einen der schnöseligen Elite-Klubs zu finden, die seit Jahrhunderten von den WASPs dominiert werden – den Repräsentanten der weißen, angelsächsischen, protestantischen Tradition.

Uni-Subkulturen prallen aufeinander: hie der Computer-„Nerd“, der schrullige Tüftler und findige Programmierer – ein Wunderkind auf seinem Feld; dort die Zwillinge Cameron und Tyler Winklevoss – Abkömmlinge der neuenglischen Geldaristokratie, blonde, großgewachsene „Jocks“, Sporthelden und Mitglieder des exklusiven Harvard-Ruder-Teams. Später sollten sie bei Olympia in Peking für die USA an den Start gehen.


Klassisches Drama. Es ist die klassische Geschichte von Betrug und Verrat, erzählt weniger als moralischer Wirtschaftsthriller à la „Wall Street“ denn in der Rahmenhandlung eines simplen Gerichtsdramas, die sich in der Rückschau und karikaturenhaften Skizzen entfaltet. Wie die Idee für eine soziale Vernetzung heranreift, als Mark Zuckerberg im Internet bitterböse Rache an seiner Freundin – und der gesamten Harvard-Frauenwelt – übt und dabei das Computersystem der Uni lahmlegt; wie Microsoft-Tycoon Bill Gates die Studenten animiert, seiner Philosophie des „Think Big“ zu folgen; wie nach dem ersten Erfolg plötzlich Groupies die Wiz-Kids Zuckerberg und seinen besten – und einzigen – Freund und Kompagnon Eduardo Saverin umschwirren und ihnen auf der Toilette Erleichterung verschaffen.

Jesse Eisenberg (im Bild) und Justin Timberlake spielen den Facebook-Gründer
Jesse Eisenberg (im Bild) und Justin Timberlake spielen den Facebook-Gründer(c) Sony

Wie die von Zuckerberg übers Ohr gehauenen Winklevoss-Brüder bei Harvard-Präsident Larry Summers – Bill Clintons Ex-Finanzminister und Barack Obamas Noch-Top-Wirtschaftsberater – vorstellig werden, um den Loyalitätsbruch ihres Kommiltonen zu ahnden und in ihrem Versuch, den Ehrenkodex der Elite-Uni heraufzubeschwören, eiskalt abblitzen; und wie Napster-Gründer Sean Parker – verkörpert von Popstar Justin Timberlake – mit dem Charisma eines gerissenen Großkotzes Intrigen spinnt, so das Facebook-Gründerduo sprengt und im Silicon Valley Party-Exzesse feiert, während Zuckerberg am Ende verzweifelt seiner Freundin nachtrauert.

Eine bittere Pointe als Schlusspunkt einer Fabel über Glück und Unglück eines Milliardärs, über beruflichen Triumph und privates Leid. Dass der Mann, der 550 Millionen Menschen zu seiner Internet-Fangemeinde zählt, am Ende des Films ganz allein dasteht, verlassen und verstoßen, ist an Ironie nicht zu übertreffen. „Du schaffst dir nicht so viele Freunde, ohne dir ein paar Feinde zu machen“, sagt Scott Rudin, der Co-Produzent von „Social Network“.


Wie programmiert. In Anlehnung an die kritische Zuckerberg-Biografie Ben Mezrichs „The Accidental Billionaires“, die Fiktion mit Realität mischt, zeichnen Fincher und Sorkin ein unschmeichelhaftes Bild des Wunderknaben, der arrogant und zynisch agiert, automatisiert und programmiert wie ein Computer. Bezeichnenderweise charakterisieren ihn am Anfang und Ende – eine Klammer des Films – denn auch zwei Frauen als „Arschloch“: „Du versuchst dein Bestes, eins zu sein.“

Schon vor dem US-Start an diesem Wochenende ist dem Film ein Echo vorausgeeilt, das dem Box-Office-Erfolg bestimmt nicht schaden wird. Angeblich erwog Zuckerberg sogar eine Klage gegen die Produzenten – darunter Filmstar Kevin Spacey – und das Duo Fincher/Sorkin. Fincher hatte sich mit „Seven“, „Fight Club“ und zuletzt „Benjamin Button“ einen Namen gemacht, Sorkin vor allem als Schöpfer der TV-Serie „West Wing“ über einen fiktiven US-Präsidenten, einen Antipoden George W. Bushs.

Monatelang versuchte Rudin vergeblich, Facebook zu einer Kooperation zu bewegen und Interviewpartner zu ködern. Angeblich war er sogar zu Drehbuchänderungen bereit. Froh, dass es nicht so gekommen ist, erklärte er: „Wir haben genau den Film gemacht, den wir machen wollten.“

Auf der Gegenseite sah der 26-Jährige schließlich von gerichtlichen Schritten ab. Er ist entschlossen, den Film so weit wie möglich zu ignorieren. Eine Klage hätte sich auch als kontraproduktiv herausgestellt, hätte sie „Social Network“ doch noch mehr Reklame garantiert.


Smarter Coup. Mark Zuckerberg entwickelte eine smarte Gegenstrategie. Beim jährlichen Treffen von alteingesessenen Medien- und Wirtschaftstycoons vom Schlage eines Warren Buffet und von Zampanos der Neuen Medien in Sun Valley, einem steril-künstlichen Resort in den Bergen Idahos, im Juli fädelte er einen Coup ein. In Gesprächen mit Cory Booker, dem demokratischen Bürgermeister Newarks in New Jersey, versprach er, dem maroden Schulsystem der Stadt – einem der schlimmsten des Landes – mit 100 Millionen Dollar auf die Sprünge zu helfen.

Persönlich pflegt Zuckerberg einen bescheidenen Stil. Der Sohn eines Zahnarztes und einer Psychiaterin und Bruder dreier Schwestern, den seine Umwelt nur „Zuck“ nennt, leistet sich keine Extravaganzen wie einen eigenen Jet. Er lebt in einem unscheinbaren Häuschen in Silicon Valley, fährt einen Kleinwagen, trägt meistens T-Shirt und Jeans. Als Wohltäter wie Gates, Buffet, George Soros oder New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg hat er sich freilich bisher auch nicht hervorgetan.

Die Aktion um die 100-Millionen-Dollar-Spende blieb geheim, bis die Talk-Queen Oprah Winfrey sie wenige Tage vor der Ausstrahlung ihrer Show, in der sie von Zuckerberg und Booker gemeinsam verkündet werden sollte, in alle Welt hinausposaunte. Das Timing war indes perfekt: Die Sendung lief am Freitag der Vorwoche über die Schirme der Nation – jenem Tag, an dem „Social Network“ als Eröffnungsfilm des „New York Filmfestival“ Premiere hatte. Zuckerberg war in aller Munde – allerdings im positiven Sinn. In dem Bestreben, ein Gegenbild zu dem Film-Zuckerberg zu entwerfen, hat er zumindest eine Facette hinzugefügt: die des edlen Mäzens.

Die Imagekorrektur läuft indessen auf allen Kanälen. Schon zuvor hat der Internet-Guru, bekannt für seine mediale Abstinenz, eine Medienkampagne in eigener Sache lanciert. Er gab der ABC-Moderatorin Diane Sawyer in der abendlichen Nachrichtensendung ein ausführliches Interview, das ihn ins Licht eines engagierten Weltbürgers rücken sollte. Und schließlich gewährte er dem „New Yorker“, dem elitären Intellektuellen-Magazin, Einblick in sein Leben und seine Gedankenwelt. Er wollte sich darin nicht als der „Nerd“ präsentieren, als den ihn der Film erscheinen lässt. „Ich versuche, die Welt zu einem offeneren Ort machen“, lautet sein Credo auf der eigenen Facebook-Seite.


Cäsar mit Expansionsdrang. Andererseits: War nicht auch Bill Gates der Inbegriff eines „Nerd“, eines genialen Tüftlers und Sonderlings? War er nicht auch wenig zimperlich in seinen Geschäftsmethoden – mehr noch als Zuckerberg? Längst schon ist der Herrscher über das Microsoft-Imperium in die globale Altruisten-Liga aufgestiegen, auf Du und Du mit Bill Clinton, Buffet und Bono. Vergessen sind seine beinharten Business-Praktiken, mit denen er zeitweise einMonopol errichtet hat und die Konkurrenz knebelte.

Im „New Yorker“ offenbarte Zuckerberg als Bewunderer von Vergils „Aeneis“ seine poetische Ader. Besonders angetan haben es ihm, wie er erklärt, die Verse „Fortuna begünstigt die Kühnen/Ein Imperium ohne Grenzen“. Seine Vorliebe für die wackere Tat, für Revolutionen, wie er auf Facebook angibt, lässt noch manchen Expansionsdrang erwarten. Passend deklarierte ihn das Magazin „Vanity Fair“ zum neuen Cäsar“. Demnächst erscheint auch ein Comic über Zuckerbergs Leben. Und am Wochenende, so gesteht er, gehe er mit Priscilla Chan, seiner Freundin aus Harvard-Zeiten, ganz gerne rudern – in getrennten Booten als Konkurrenten. Die Enthüllung kommt nicht ganz überraschend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2010)

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