Wie die Legende von Orson Welles entstand

Legende Orson Welles entstand
Legende Orson Welles entstand(c) Einhorn
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Richard Linklaters wunderbare Tragikomödie über die turbulente Woche vor der "Julius Caesar"-Bühnenaufführung von Welles und die Geburt eines Mythos. Welles wird vom Briten Chris McKay lebensecht verkörpert.

Orson Welles ist der Stoff von Legenden. Die bekannteste ist die vom Kino-Wunderkind, das, nur 25 Jahre alt, mit dem Zeitungszaren-Filmdebüt Citizen Kane (1941) eines der wichtigsten Werke der Filmgeschichte schuf, allerdings in Hollywood schnell zur Persona non grata wurde und als unabhängiger Regisseur mehr oder minder erfolglose Projekte zu realisieren suchte, die er durch seine Schauspielerkarriere finanzierte. Längst ist dieser Mythos widerlegt, spätere Welles-Filme wie der barocke Noir-Krimi Touch of Evil (1958) oder die Kunstfälscher-Dokufiktion F for Fake(1974) sind auch als Meisterwerke kanonisiert. Bis heute belegt ein nicht abreißender Strom von Restaurationen verstümmelter oder unvollendeter Produktionen die zeitlebens ungebrochene schöpferische Kraft und Originalität des 1985 verstorbenen Welles.

Andererseits belegen in der Internet-Ära zum Kult gewordene YouTube-Clips wie derjenige, in dem Welles sturzbetrunken einen Wein-Werbespot zu lallen versucht, auch die Schattenseiten: tragische Einblicke ins – wieder eine Legende – Leben eines verkannten Genies, das am Rande des Ruins für seine Kunst kämpfte. Welles, Egozentriker und Mythomane, war am Entstehen all dieser Legenden selbst beteiligt. Ihr Nachwirken ist derzeit sowohl im Facebook-Film The Social Network zu spüren, der stark von Citizen Kane geprägt ist, wie auch in Richard Linklaters verspätet veröffentlichter, famoser Tragikomödie Ich und Orson Welles.

Die Zeit vor der Kinokarriere von Welles

Linklater beschäftigt sich mit der Welles-Legende vor dessen Kinokarriere: als aufsehenerregender Theatermacher in der „Popular Front“-Phase der kommunistisch beeinflussten New Yorker Bühnenszene der 1930er und als Schöpfer von bemerkenswerten Hörspielen, die viele seiner filmischen Konzepte vorwegnahmen. Besonders legendär ist Welles' Hörspiel-Adaption von H.G. Wells' „War of the Worlds“, die 1938 eine Massenpanik auslöste. Im Jahr davor spielt Linklaters Film, der 2008 – ganz im Geiste von Welles – unabhängig produziert wurde, was ein Grund für den späten Kinostart ist.

Es geht um einen jungen Träumer (Teenie-Schwarm Zac Efron), der durch Frechheit eine Rolle in „Julius Caesar“ ergattert. Für die gefeierte Broadway-Aufführung seines „Mercury Theatre“ steckte Welles die Figuren 1937 ins Kostüm italienischer Faschisten der Ära und leuchtete sie entsprechend aus. In der chaotischen, von Improvisationen und romantischen Rivalitäten durchzogenen Woche vor der Premiere lernt der hoffnungsvolle Jüngling so gut wie alles über die Macht der Schauspielerei und die Natur des Menschen, glaubt man jedenfalls seinem Lehrmeister Welles – der trotz einiger zweifelhafter Eigenschaften das überzeugende Vorbild der ganzen Theatertruppe ist.

Vom Briten Chris McKay lebensecht verkörpert, zeigt sich das Multitalent Welles als genialer Manipulator und charmanter Narziss, in dessen Selbstherrlichkeit immer ein wenig ironisches Glitzern mitschwingt. Linklaters Film liefert ein überzeugendes Porträt der Periode und eines kleinen Stücks Big Apple (obwohl auf der Isle of Man vor Irland gedreht!), die „Julius Caesar“-Aufführung ist genau recherchiert und liebevoll rekonstruiert, in Dialogen und Details sprüht der Witz, etwa wenn sich Welles zur Zeitersparnis in einer Ambulanz herumkutschieren lässt.

Wie stets bei Linklater gibt es ein reich gezeichnetes und hingebungsvoll interpretiertes Darstellerensemble, aber Welles überragt zwingend das Geschehen: Während die andern von ihm lernen, lernt er die Rolle seines Lebens zu spielen und den Stoff von Legenden zu schaffen. Der Originaltitel Orson Wellesand Me ist insofern ungleich treffender als Ich und Orson Welles. Ohnehin ist die Originalfassung anzuraten, weil Welles' Stimme – McKay trifft sie bis ins Timbre – fast wichtiger ist als sein Auftreten.

Ab Freitag in Wiener Kinos, OF im Burg

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2010)

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