"Gainsbourg": Fett ausgestattete Kinobiografie

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Das Regiedebüt von Comiczeichner Joann Sfar schildert das Leben des Sängers, Komponist und Provokateur Gainsbourg als buntes Durcheinander: Trotz fantastischer Ideen eine konventionelle Affäre. Derzeit im Kino.

In Frankreich ist der Sänger, Komponist und Provokateur Serge Gainsbourg eine umstrittene Ikone, sein globaler Ruhm ist vor allem mit dem Skandalhit „Je t'aime...moi non plus“ (1969) verknüpft, in dem er mit Partnerin Jane Birkin zu Hammond-Säuseln durch anzügliche Texte turtelte, bis das Duett in beiderseitiges Luststöhnen überging. In der von Comiczeichner Joann Sfar inszenierten Filmbiografie Gainsbourg ist die Vorstellung dieses Songs denn auch ein Gustostückerl, vor allem dank eines grandiosen Gastauftritts eines seither verstorbenen Großen des Kinos.

Regisseur Claude Chabrol liefert als Musikproduzent eine komische Miniatur ab: Als ihm das wie immer kettenrauchende Interpretenpaar „Je t'aime“ vorspielt, klammert er sich an der Zigarre fest und rollt die Augen. Dann sagt er zu Gainsbourg, der Song würde zweifellos ein Skandal und brächte sie alle ins Gefängnis – er setzt nach: „Machen Sie mir eine Platte mit zehn solchen Liedern!“ Da kommt noch mal das ganze gespaltene Verhältnis zur Bourgeoisie auf den (Büro-)Tisch, das Chabrols Filmkunst prägte.

Sonst versucht Sfars Film ähnlich ambivalente Gratwanderungen, entkommt aber nicht den Maßgaben einer handelsüblichen Kinobiografie – auch wenn er sie mit Fabulierfreude oft ins Surreale wendet. Der originale, ein bisserl ironische Untertitel verrät einiges: Gainsbourg (Vie héroïque). Verzichtet wird auf Gainsbourg als nicht so heldenhafter dirty old man, der in den 1980ern für Aufregung sorgte, als er mit Tochter Charlotte das Lied „Lemon Incest“ trällerte und in einer Talkshow murmelnd, aber umso deutlicherer Wortwahl bekannte, dass er es gern der jungen Whitney Houston besorgen tät.

Sfar betont indes zwei weniger bekannte Aspekte aus Gainsbourgs jungen Jahren. Im Film provoziert der Sohn russischer Juden schon die deutschen Besatzer, indem er seinen „Judenstern“ einfordert und stolz trägt, wie einen Sheriffstern. Das legt die Spur zum späteren Popstar, der seine Nation öfter an verdrängte Geschichtsschuld und Antisemitismus erinnerte – mit Kompositionen wie „Nazi Rock“. Der früh Francis Bacon nacheifernde Kunstmaler Gainsbourg nimmt im Film den späteren Weiberhelden vorweg, flirtet schon als kleiner Knirps mit Malkursmodellen. Parallel zu solchen Lebenslinien in Gainsbourgs Entwicklung als Poète maudit und rebellischer Bohemien fantasiert Sfar eine Persönlichkeitsspaltung herbei: Zum Künstlermenschen kommt immer wieder eine sarkastische, nach jüdischen Stereotypen modellierte Puppe. Die Idee ist sowohl fabelhaft wie auch banale Küchenpsychologie.

Drollige France Gall, verführerische Bardot

Das ist bezeichnend für einen kunstgewerblichen Film, der mit fetter Ausstattung und großen Auftritten (sowie, selbstverständlich, hervorragender Musik) durch Gainsbourgs Leben eilt. Als Erwachsener von Éric Elmosnino hingebungsvoll verkörpert, bewältigt der Musiker trinkend und rauchend Aufruhr und Affären: Chansons mit Juliette Greco und Yéyé-Rock mit France Gall (drollig: Sara Forestier), dann Beziehungen mit der verführerisch in Szene gesetzten Brigitte Bardot (Laetitia Casta) und Birkin. Nicht alles im bunten Durcheinander ist so selbst erklärend wie die Szene, in der Soldaten ob Gainsbourgs unpatriotischer Reggae-Interpretation der „Marseillaise“ toben: In der jüngeren Filmwelle über französische Außenseiterfiguren (wie der Mesrine-Zweiteiler Public Enemy No.1),ist Gainsbourg aber ganz respektabel. Ob das den echten Gainsbourg gefreut hätte, ist eine andere Frage.

Zur Person

Serge Gainsbourg (geboren 1928 in Paris als Lucien Ginsburg) war das Kind russisch-jüdischer Einwanderer. Nach dem Krieg lebte er als Maler und Bohemien, erst 1958 führte ihn Boris Vian zum Chanson. Gainsbourg wurde vielseitiger Erfolgskomponist; er war berühmtfür Affären und Skandale (wie „Je t'aime... moi non plus“ mit Partnerin Jane Birkin). Er starb 1991 in Paris an einem Herzinfarkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2010)

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