Christina Aguilera: Lust am Spiel

Im Musicalfilm "Burlesque" wechselt Christina Aguilera ins Schauspielfach. Wobei – viel verstellen muss sie sich nicht: Sie gibt eine aufstrebende Sängerin.

Über 40 Millionen Platten hat Christina Aguilera verkauft. Sie ist Mutter eines zweijährigen Sohnes und hat schon eine Scheidung hinter sich. Und dabei ist Christina Aguilera gerade mal 29 Jahre alt. Mit einer Größe von knapp 1,56 m, platinblonden Haaren, meist in Retro-wasserwellen gelegt, den knallroten Lippen und dem ausgeprägten Ego einer Superdiva entspricht die Sängerin trotzdem nicht dem Klischee des blonden Dummchens aus der Popboutique. Es ist etwas Unwirkliches, Puppenhaftes an ihr, ein Quantum Michael-Jackson-Entrücktheit, gemischt mit einer Überdrüber-Professionalität, die oft etwas hölzern wirkt. Und ähnlich wie bei Jackson steht ihr Talent bei alldem doch nie infrage.

Als klassischer Workaholic mit ständigem Hunger nach Herausforderungen beschreitet sie nun neue Wege – die sie mit dem Musical „Burlesque“ ins Filmgeschäft führen. Ein Film mit Christina Aguilera und Cher? Nach kurzem Frösteln ersteht vor dem inneren Auge eine Vision von Glitter, Korsetts und dem Schmettern von Etta-James-Liedern – ein Musical als Diva-Apotheose.

Beyoncé hatte schon Erfolg mit einer Reihe von Musikfilmen und auch Christina Aguilera bekam wiederholt Rollenangebote. Warum aber dieser Film, warum gerade jetzt? „Ich wollte nicht das erstbeste Angebot annehmen und habe darum gebeten, meinen Charakter anders anzulegen, härter und ein wenig lebendiger. Aber es war trotzdem eine ziemlich heftige Erfahrung. Als Schauspielerin muss man sich in eine andere Person hineindenken und eine Wahrheit in dieser Rolle finden. Ich habe meine Vergangenheit durchwühlt und dadurch viele Gefühle ans Licht gezerrt, besonders an den Tagen, an denen ich weinen musste.“

Aschenputtelesk

Der Film von Autor und Regisseur Steve Antin hat einen Hauch Aschenputtel-Mythos in sich: Er erzählt die Geschichte der blauäugigen Ali Rose, einer jungen Sängerin, die ihren Träumen vom goldenen Sternchen am Firmament des Ruhms nach Los Angeles folgt. Außerdem erinnert die Geschichte enfernt an die burlesken Wurzeln der Mädchenband Pussycat Dolls. Die wurde nämlich einst von Steve Antins Schwester Robin, einer Choreografin, und der Schauspielerin Christina Applegate gegründet und trat anfangs nur in Johnny Depps Nachtclub „Viper Room“ auf.  „Die Idee hinter dem Burlesque-Phänomen fasziniert mich. Mir gefällt das Zusammenspiel von Schönheit und Sexualität. Und das Thema ist mir geläufig.“ Aber abseits eines schnell gefällten Vorurteils über den cineastischen Wert des Œuvres („Burlesque“ wurde schon „das neue ,Showgirls‘“ genannt) muss man doch zugestehen, dass Aguilera ganz einfach eine ihr naheliegende Rolle als Schauspieleinstieg gewählt hat. Zumal die Sängerin früher ein gern gesehener Gaststar der Pussycat-Dolls-Revue war, so wie etwa Gwen Stefani. Und doch fügte sich Aguilera gar nicht so nahtlos wie erwartet in die Rolle: „Der Dreh für ,Burlesque‘ war ein bisschen klaustrophobisch für mich. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass mir alles zu viel wurde und ich sehnte mich danach, einfach nur ich selbst sein zu können. Als wir fertiggedreht hatten, konnte ich es kaum erwarten, mich wieder selbst zu spüren und endlich mein Album ,Bionic‘ herauszubringen.“

Das große Kribbeln

Und ganz nebenbei ein neues Leben für sich und Sohn Max aufzubauen. Eine alleinstehende Mutter zu sein war nicht Teil ihres Lebensplans. Der kleine Mann mit Namen Max ist Christinas Priorität, trotz der Vielfalt an Projekten, die sie stets am Laufen hat. „Ich kann nicht Jahr um Jahr dasselbe tun, dieselbe Routine ablaufen lassen. Das schaffe ich nicht. Ich brauche die Spontaneität, dieses Kribbeln, wenn du etwas Neues ausprobierst. Daher nehme ich meine Inspiration.

Aber ich bin überzeugt davon, dass ich irgendwann zur Ruhe kommen werde und einfach mit all dem, was ich erreicht habe, zufrieden bin.“ Mutter zu sein ist eine Rettung für Aguilera, die bis heute mit den Dämonen ihrer Kindheit (ein gewalttätiger Vater, frühe Scheidung der Eltern) zu kämpfen hat. „Es gibt Tage, die besser sind als andere. Ich muss mit vielen Dingen zurechtkommen und mein Leben als Mutter ausbalancieren, aber mein Sohn ist glücklich und von Liebe umgeben. Dank Max habe ich eine verspielte Seite an mir entdeckt. Ich fühle mich endlich wohler in meiner Haut. Ich weiß, was ich brauche und wie ich es bekommen kann. Ich verstehe mich einfach besser und fühle mich sexier.“

Und wie schon seit frühester Kindheit bedeutet diese Weiterentwicklung neue Liedtexte: Sie tüftelt bereits am nächsten Album. So verschlossen Christina Aguilera in der Öffentlichkeit sein kann, so offen ist die Künstlerin in ihren Texten. „So vieles in meinem Leben hat sich geändert, und ich habe mich so sehr weiterentwickelt, ich habe mich während dieses Films verändert, habe so viel gelernt“, resümiert sie. „Über mich selbst, über mein Handwerk und die Schauspielkunst. Ich bin extrem ehrgeizig und eine absolute Perfektionistin. Ich möchte unbedingt mehr Filme drehen! Ich habe das Gefühl, dass ich immer noch dem Erfolg nachjage, den ich für meine innere Ruhe brauche.“

Burlesque, ab 6. Jänner im Kino

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