"Tron: Legacy": Vater & Sohn in der Computerwelt

(c) Dapd (Disney Enterprises)
  • Drucken

In Joseph Kosinskis Neuauflage eines Technologie-Thrillers aus dem Jahr 1982 steht eine Familienzusammenführung im Mittelpunkt. "Tron: Legacy" ist weniger Science-Fiction als Fantasy. Ab Donnerstag im Kino.

Man sollte meinen, dass das alle Lebensbereiche vernetzende Internet auch im heutigen Kino eine wichtige Rolle spielt. Tatsächlich aber ist es lange schon nicht mehr explizit thematisiert worden. Es scheint, als habe sich jeder mit der schönen neuen Welt und ihren Technologien abgefunden. Die Ekstase und Besorgnis, mit der sie noch in den Neunzigerjahren, in futuristischen Thrillern wie Matrix und in Paranoia-Filmen wie Das Netz, behandelt wurden, spürt man heute nicht mehr.

Auch der Techno-Thriller Tron: Legacy macht keine Anstalten, sich an zeitgeistige Internet-Diskurse von Privatsphärenauflösung bis „Social Networking“ anzudocken. Nicht einmal interaktive Benutzeroberflächen spielen in dieser Zukunft eine Rolle. Während Steven Lisbergers damals technologisch revolutionäres Original Tron (1982) einen digitalisierten Menschen (und keinen Avatar!) gegen ein außer Kontrolle geratenes Computerprogramm kämpfen ließ, hat sich der Fokus der Geschichte im neuen Jahrtausend verlagert. Paradoxerweise hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen.

In den ersten Minuten von Joseph Kosinskis Tron: Legacy wird gleich angelegt, was über zwei Stunden lang im Mittelpunkt stehen wird: Vater Flynn (ein digital rekonstruierter „junger“ Jeff Bridges) und Sohn Sam, in trauter Zweisamkeit. Kurze Zeit später kämpft Flynn im Computer um sein Leben. 20 Jahre später entdeckt Sam (Garrett Hedlund) die „legacy“, das Vermächtnis des Vaters, als er sich unabsichtlich in dieselbe virtuelle Welt, das „Grid“, transportiert.

Im Kern dieses technologisch hochgerüsteten Films steht also eine Familienzusammenführung. Um sie herum haben Ausstatter und Konzeptkünstler eine Fantasywelt gebaut, ein größenwahnsinniges Amalgam aus digitalen und analogen, teils gar vormodernen Einflüssen, streng geometrisch angelegt: Sam betritt „The Grid“ als Gladiator, gemeinsam mit anderen defekten Programmen. Regiert wird die Arena wie der Rest des virtuellen Königreichs von Clu, einer digitalen Kopie von Flynn, die sich verselbstständigt und eine Diktatur errichtet hat.

Jeff Bridges als Zen-Meister

Den eigentlichen Flynn (der 61-jährige Jeff Bridges) findet Sam schließlich in einem abgelegenen Tempel, mittlerweile zum Zen-Meister geworden. Dort isst er virtuelle Spanferkel und beobachtet den Untergang der Computerwelt. Gemeinsam mit der kämpferischen Quorra (Olivia Wilde) sagen Vater und Sohn dem tyrannischen Regime von Clu den Kampf an.

Tron: Legacy ist weniger Science-Fiction als Fantasy, das „Grid“ ist auch keine Internet-Blaupause, sondern ein bis ins kleinste Detail ausformuliertes fantastisches Reich, ähnlich wie in Herr der Ringe oder Avatar. Mit Letzterem hat Tron: Legacy auch seine esoterische Komponente gemeinsam: Beiden Filmen geht es um ein natürliches Gleichgewicht der Elemente (ja, auch im Computer!), beide behandeln den Genozid an einem weisen, naturmächtigen Volk, beide kulminieren im Sturz der Tyrannen. Und beide gehören zum Besten, was die 3-D-Kino-Renaissance bisher hervorgebracht hat: Regisseur Kosinski stattet seine Welt mit genügend räumlichen Effekten und Farbspielereien (besonders beim atemberaubenden „Lightcycle“-Rennen) aus, um dem Zuschauer dauerhaft die Sinne zu massieren.

Dazu die fliegende virtuelle Kamera von Claudio Miranda, das exzentrische Set-Design, die retrofuturistisch pumpende Musik des französischen Electronica-Duos Daft Punk: eine eskapistische Symphonie für eine neue Welt. Die beizeiten grotesk vertrackte Geschichte ist nicht ganz so perfekt, dafür lenkt Kosinski seinen Erzählfluss immer wieder hin zu sensationellen Action-Sequenzen. Die beste davon ist eine sehr analoge Schlägerei in der „End of Line“-Bar: Während Daft Punk die Tanzfläche rocken, werden tyrannische Programme vom Zen-Weisen Jeff Bridges ins virtuelle Nirvana geprügelt. Dass Kosinski diesen verrückten Reigen völlig ironiefrei hält, ist vielleicht der schönste Aspekt von Tron: Legacy.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.