Digitalisierung: Todesstoß für viele Kinos

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Laut Experten sind vor allem die Kleinen bedroht. Der Grund? Die Digitalisierung des Kinos, auf die die kleinen Kinos „starren wie das Kaninchen auf die Schlange“. Rufe nach gezielter Förderung werden lauter.

Wien. Die Trauer hielt sich in Grenzen. Im Vergleich zum Sentiment, das sonst die Schließung alter Wiener Kinos begleitet, fielen die Reaktionen auf das vor wenigen Tagen vermeldete Aus für das „Auge Gottes“ mit Juni nüchtern aus. Tatsächlich war die spannendste Wortmeldung ein Schlagabtausch zwischen dem Kinobetreiber, der Constantin/Cineplexx-Gruppe, und dem Wiener-Filmfonds-Chef Peter Zawrel. Der Konzern gab der „einseitigen Wiener Kinoförderungspolitik“ die Mitschuld am Aus (das „Auge Gottes“ erhielt aufgrund seiner Größe keine Förderung) – eine Argumentation, die Zawrel als unredlich geißelte: „Der Konzern sperrt das Kino aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen. So zu tun, als ob Constantin von ein paar tausend Euro Förderung abhängig wäre, ist lächerlich.“

Das Kino, das in der weiteren Nachbarschaft der Kinocenter Lugner City Kino und Millennium City liegt, war laut Constantin mit einer sechsstelligen Zahl im Minus. Auch wenn das „Auge Gottes“ mit sechs Sälen, Mainstream-Programm und einem großen Konzern als Betreiber nicht der Inbegriff des kleinen Wiener Stadtkinos ist, so ist sein Ende trotzdem eine Warnung für sie: Demnächst werde es eine Bereinigung des Marktes geben – „einige kleinere, aber auch mittlere Kinos werden wohl zusperren“, sagt Kurt Schramek, Obmannstellvertreter der Fachgruppe Lichtspieltheater in der Wiener Wirtschaftskammer und Betreiber des Burgkinos. Der Grund? Die Digitalisierung des Kinos, auf die die kleinen Kinos, wie es Michaela Englert, Geschäftsführerin des Ein-Saal-Kinos „Admiral“ in Wien Neubau, formuliert, „starren wie das Kaninchen auf die Schlange“. Kurt Kaufmann von der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) schätzt, dass in den nächsten fünf Jahren „die Zahl der nicht digitalen Filmkopien drastisch zurückgehen“ werde. Wer keine digitale Anlage hat, wird neue Filme nicht mehr spielen können.

Wien wartet ab

Österreich ist im Europavergleich bei der Digitalisierung zwar bereits sehr weit vorne, jedoch deshalb, weil Branchengrößen wie Constantin oder UCI ihre Betriebe schnell umrüsteten. Während die Kosten der Umrüstung (70.000 bis 100.000 Euro) kleine Kinos abschrecken, finanzieren Ketten laut Schramek die Umstellung meist mit einer Zwischenfinanzierung, die von US-Major-Filmstudios mitgetragen wird, weil sie sich Kosten sparen: Digitale Kopien sind viel billiger als analoge. Im Verbund mit den Major-Filmstudios, so Schramek, bieten bestimmte Firmen den Kinos eine hochwertige digitale Umrüstung gegen Ratenzahlung an.

Zusätzlich würde Major den Kinos pro gezeigtem Eigenfilm eine Prämie zahlen. Der Effekt: Die Kinos haben einen großen Anreiz, möglichst viele Major-Filme zu spielen. Kleinen Kinos, sagt Schramek, werde dieses Modell hingegen kaum angeboten – und selbst wenn, würde das Prämiensystem nicht ausreichend greifen: Denn kleinere Kinos wollen zwar auch Blockbuster spielen, sich aber durch speziellere Programmierung vom Markt abheben (für die sie etwa in Wien ja auch Kulturförderung bekommen). Die Kinos fordern daher eine finanzielle Einmalförderung zur Umrüstung, wie es sie etwa in Polen und Teilen Deutschlands gibt: „Wir würden das aus eigenem Antrieb nicht schaffen“, sagt Admiral-Chefin Englert. Von Bundesseite gibt es bereits Angebote: Das Wirtschaftsministerium unterstützt kleine und mittlere Kinos bei der Digitalisierung mit fünf Prozent der Summe, das Kulturministerium will künftig insgesamt 500.000 Euro zur Verfügung stellen.

Auf Länderebene ist das System unterschiedlich: In Tirol, Vorarlberg, Oberösterreich und bald auch in der Steiermark gibt es laut WKÖ spezielle Förderungen. In Wien, wo Kinos bereits routinemäßig mit 450.000 Euro gefördert werden, laufen laut Kulturstadtratbüro Gespräche mit Bund und Branche über ein Kostensplitting.

Ein Gesamterlebnis bieten

Ob nun gefördert wird, an welche Kriterien sie anknüpft, und ob die Filmfirmen und Verleiher mitzahlen – davon werde abhängen, wie die Kinolandschaft künftig aussehen werde, sagt Schramek. Er gibt zu, dass sich nicht für jedes kleine Kino eine Digitalisierung auszahlen wird. Manchmal werde weniger aufwendige Technik reichen – auch auf die Gefahr hin, dass man neue Hollywoodfilme nicht mehr bekommt. Manche Kinos würden aber auch sperren. „Es gibt gemessen an der Bevölkerung viel zu viele Leinwände in Wien“, sagt Schramek. Das Angebot, sagt Zawrel, werde sich jedenfalls stärker ausdifferenzieren – „mehr noch als früher muss Kino sich als Gesamterlebnis verkaufen“. Zawrel sieht die Digitalisierung und gesunkenen Kosten für Filmkopien auch als Chance, spezieller zu programmieren. Wobei gerade kleine Kinos künftig mit analoger Technik punkten wollen. Das Admiral will parallel die analoge Form behalten, denn manche Filme, wie aktuell einige aus Persien, so Englert, würden nur analog existieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2011)

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